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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Kurhaus. Polina ließ sich auf der Bank gegenüber dem Springbrunnen nieder und erlaubte Nadenjka, mit anderen Kindern in ihrer Nähe zu spielen. Ich meinerseits schickte auch Mischa an die Fontäne, und endlich waren wir alleine.
    Zuerst ging es natürlicherweise um die Geschäfte. Polina Alexandrowna geriet außer sich vor Zorn, als ich ihr nur siebenhundert Gulden aushändigte. Sie war überzeugt gewesen, daß ich ihr aus Paris, wo ich ihren Brillantschmuck versetzt hatte, mindestens zweitausend Gulden bringen würde, vielleicht sogar mehr.
    »Ich brauche Geld, um jeden Preis«, sagte sie, »dieses Geld muß beschafft werden; sonst bin ich einfach verloren.«
    Ich begann sie auszufragen, was sich während meiner Abwesenheit ereignet hätte.
    »Nichts Besonderes, außer den beiden Nachrichten aus Petersburg: zuerst, daß es der Großmutter sehr schlechtgehe, und zwei Tage später, daß sie wohl schon gestorben sei. Diese Nachricht kam von Timofej Petrowitsch«, setzte Polina hinzu, »einem zuverlässigen Mann. Wir warten auf die endgültige Nachricht.«
    »Also fiebern hier alle vor Erwartung?« fragte ich.
    »Natürlich; alle und alles; ein ganzes halbes Jahr; seit einem halben Jahr ist es die letzte Hoffnung.«
    »Auch Ihre Hoffnung?« fragte ich.
    »Ich bin mit ihr gar nicht verwandt, ich bin nur die Stieftochter des Generals. Aber ich weiß mit Sicherheit, daß sie mich in ihrem Testament nicht vergessen wird.«
    »Sie werden, scheint es mir, sehr reichlich bedacht«, sagte ich zuversichtlich.
    »Ja, sie mochte mich; aber wieso scheint es
Ihnen?
«
    »Sagen Sie«, fragte ich, statt zu antworten, »unser Marquis scheint gleichfalls in alle Familiengeheimnisse eingeweiht zu sein?«
    »Und wieso interessieren Sie selbst sich dafür?« bemerkte Polina mit einem strengen und kalten Blick.
    »Das liegt auf der Hand; wenn ich mich nicht irre, hat der General ihn bereits angepumpt.«
    »Ihre Vermutung trifft zu.«
    »Also, hätte er denn Geld geliehen, wenn er nicht über Babulenka Bescheid wüßte? Ist es Ihnen bei Tisch nicht aufgefallen, daß er zwei oder drei Mal, als die Rede auf die Großmutter kam, von la baboulenka gesprochen hat? Was für enge und freundschaftliche Beziehungen!«
    »Ja, Sie haben recht. Sobald er erfährt, daß auch ich etwas testamentarisch geerbt habe, wird er mir umgehend einen Heiratsantrag machen. Das war es doch wohl, was Sie hören wollten, nicht wahr?«
    »Wird er ihn erst dann machen? Ich dachte, er geht schon lange auf Freiersfüßen.«
    »Sie wissen genau, daß dem nicht so ist!« sagte Polina heftig. »Wo haben Sie diesen Engländer kennengelernt?« fuhr sie nach minutenlangem Schweigen fort.
    »Ich habe es ja gewußt, daß Sie sich nach ihm jetzt erkundigen werden.«
    Und ich erzählte ihr von meinen früheren Begegnungen unterwegs mit Mister Astley. »Er ist schüchtern, begeisterungsfähig und natürlich schon in Sie verliebt?«
    »Ja, er ist in mich verliebt«, antwortete Polina.
    »Übrigens ist er natürlich zehnmal reicher als der Franzose. Wie ist es, hat der Franzose wirklich irgendwas? Kein Zweifel?«
    »Kein Zweifel. Er ist Besitzer eines Châteaus. Erst gestern hat mir der General davon erzählt. Mit großer Gewißheit. Genügt Ihnen das?«
    »Ich würde an Ihrer Stelle unbedingt den Engländer nehmen.«
    »Warum?« fragte Polina.
    »Der Franzose sieht besser aus, ist aber niederträchtiger. Und der Engländer ist nicht nur ein anständiger Mensch, sondern auch zehnmal reicher«, antwortete ich kurz und klar.
    »Stimmt. Aber dafür ist der Franzose ein Marquis und gescheiter«, antwortete sie in aller Gelassenheit.
    »Aber stimmt es auch?« Ich ließ nicht locker.
    »Haargenau.«
    Polina mißfielen meine Fragen, und ich sah, daß sie mich durch den Ton und die Ungereimtheit ihrer Antworten herausforderte; ich sagte es ihr sofort.
    »Nun, was soll’s, mir macht es tatsächlich Spaß, Sie wütend zu sehen. Allein die Tatsache, daß ich Ihnen gestatte, solche Fragen und Vermutungen auszusprechen, werden Sie zu bezahlen haben.«
    »Ich halte mich wirklich für berechtigt, Ihnen verschiedene Fragen zu stellen«, antwortete ich gelassen, »gerade deshalb, weil ich bereit bin, dafür zu büßen, und mein Leben jetzt nicht besonders hoch schätze.«
    Polina lachte laut:
    »Sie haben mir das letzte Mal auf dem Schlangenberg gesagt, Sie seien auf ein einziges Wort von mir bereit, sich in den Abgrund zu stürzen, und dort ist es, glaube ich, tausend Fuß tief. Ich werde dieses
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