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Der Spiegel aus Bilbao

Der Spiegel aus Bilbao

Titel: Der Spiegel aus Bilbao
Autoren: Charlotte MacLeod
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Garten. Ich werde das Unkraut in den
Gemüsebeeten ausrupfen, und Max erledigt seine eigenen Angelegenheiten. Wir
werden alle drei schrecklich beschäftigt sein, du mußt dich also mit Miffy und
der Clique vom Yachtclub zufriedengeben. Die halten dich schon in Trab, keine
Sorge. Also komm nach oben, und mach es dir bequem.«
    »Ich möchte nur schnell meine
Lungen mit dieser wunderbaren Luft hier volltanken. Um-aah!«
    Es gab zwei Sorten von Kellings,
die großen und die kleinen. Die großen Kellings besaßen meist längliche
Gesichter und Adlernasen. Einige wenige, beispielsweise Sarahs verstorbener
Ehemann, hatten es geschafft, attraktiv auszusehen. Die meisten jedoch nicht.
    Die kleinen Kellings hatten
eckige Gesichter, gerade Nasen und Lippen, die man als Kußmund beschreiben
konnte, auch wenn die Kellings selbst dies nie tun würden. Die Konturen waren
sanft geschwungen und reichten von angenehm voll bis übermäßig fleischig. Sarah
selbst war eine außergewöhnlich attraktive Vertreterin der kleinen Kellings.
    Tante Appie, ebenfalls eine
Kelling - Kelling wie Sarah, da die Kellings dazu neigten, entfernte Cousinen
oder Cousins zu ehelichen, um so das Geld in der Familie zu halten, gehörte zum
hochgewachsenen Familienzweig und war eine der Langen — der dürren Langen. Als
sie so dastand und mit ausgebreiteten Armen und geblähten Nasenflügeln die
salzige Seeluft einsog, hätte sie geradezu als Inspiration für Cyrius Dallins Anruf
des Großen Geistes dienen können, es fehlten nur noch das Pferd, die
passenden Mokassins und ein Lendenschurz statt der praktischen Schnürschuhe und
der Hemdbluse aus grünem Krepp, die irgendwie an eine Pfadfinderinnenuniform
erinnerte.
    Nachdem sie sich die Lungen
ordentlich vollgepumpt hatte, marschierte Appie allen voran ins Haus, unter dem
Arm ein überquellendes Fotoalbum, mit dem sie Sarah an ihren gemeinsamen
langen, gemütlichen Abenden zu erfreuen gedachte. Max, der andere Vorstellungen
hegte, was den Zeitvertreib im Mondschein betraf, beäugte das Album
mißtrauisch.
    »Dein Zimmer ist noch nicht
ganz fertig, weil ich dich nicht vor Montag erwartet habe«, teilte Sarah ihrer
Tante mit. »Max und ich sind gerade eben erst angekommen. Ich habe noch nicht
einmal meine Sachen ausgepackt, und er auch nicht.«
    »Dann werden wir jetzt alle
fleißig hin und her schwirren und alles tadellos verstauen. Was für ein Spaß!
Husch, husch, meine Küken! Die alte Glucke baut sich selbst ihr Nest und macht
es sich darin urgemütlich. Oh, wie sie durch die Luft schwebt -«
    Selbst Max konnte sich ein
Grinsen nicht verkneifen, als sie Tante Appie Kissen aufschüttelnd und
Schubladen schiebend zurückließen. »Jetzt verstehe ich, was du meinst«,
murmelte er. »Ist sie immer so?«
    »Meistens. Du mußt nur hart zu
ihr sein, wenn sie dich bekochen will oder eine Exkursion zur Erforschung der
Haubenmeise in ihrem natürlichen Habitat zu organisieren droht. Wenn alles
gutgeht, wird sie bestimmt von einigen ihrer Freunde eingeladen, sobald sie
erfahren haben, daß sie hier ist. Ich hoffe doch sehr, daß du uns zu Miffy
fährst? Tante Appie wäre untröstlich, wenn sie das Gefühl hätte, daß du nicht
an der allgemeinen Fröhlichkeit teilnehmen darfst.«
    »Gibt es denn dort so etwas
überhaupt?«
    »Es wird bestimmt tödlich
langweilig. Die interessanten Leute gehen nämlich nicht zu Miffy. Aber Tante
Appie amüsiert sich immer köstlich. Wir brauchen sie nur auf der Party
abzusetzen, und dann machen wir uns heimlich wieder aus dem Staub. Wenn die
lieben Gäste sich erst einmal ein paar von Miffys Martinis zu Gemüte geführt
haben, wissen sie sowieso nicht mehr, wer da ist und wer nicht.«
    »Aber wie kommt sie wieder nach
Hause?«
    »Jemand wird sie früher oder
später zurückfahren. Mach doch bitte nicht so ein finsteres Gesicht, Liebling.
Wir finden schon irgendeine Lösung. Und jetzt komm, und schau dir endlich dein
neues Heim an. Ich hoffe, die Farbe ist schon trocken.«
    Trotz ihres Vorsatzes, kein
Geld für Ireson’s Landing auszugeben, bis sie genau wußte, ob es ihr auch
wirklich gehörte, hatte Sarah einige Verschönerungen an dem Kutscherhaus
vorgenommen. Es hatte einfach sein müssen. In der kleinen Wohnung über den
Ställen hatte seit 1915 kein Kutscher mehr gewohnt, und die Spinnweben hatte
man praktisch mit der Machete durchhacken müssen.
    Zusammen mit Mr. Lomax hatte
sie die Wände und Decken abgebürstet und abgeschrubbt und den alten grauen Putz
in einem
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