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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball
Autoren: Stella Gibbons
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gerade noch davon abhalten zu sagen »zu uns«. Stattdessen sagte sie »in unsere Nähe«. »Ich werde versuchen dir eine Unterkunft und eine Stelle zu besorgen. Das schaffe ich schon, wirst sehen.«
    »O Shirley, das wäre einfach toll !«
    »Sein Gesicht – wenn du morgen nicht aufkreuzt!«, kicherte Shirley, der es gar nicht in den Sinn kam, dass auch ein dicker kleiner Mann völlig am Boden zerstört sein konnte.
    Aber der Gedanke daran, was Teddy für ein Gesicht machen würde, ernüchterte Viola. Wie oft hatte er ihr geschworen, sie sei der einzige Mensch, den er je geliebt habe, dass sein Leben in ihren Händen läge und es ihm das Herz bräche, sollte sie ihn je verlassen.
    Man konnte jemanden, der so für einen empfand, nicht so einfach fallen lassen, das wäre eine Sünde. Viola starrte sekundenlang sehnsüchtig in Shirley’s Gesicht. Dann schüttelte sie den Kopf.
    »Du überlegst doch nicht etwa, jemand anderen zu heiraten, oder?« Shirley glitt erleichtert (wenn auch immer noch verstört) von der Theke herab. Viola würde es also doch durchziehen.
    »Ich? Gott, nein!«
    Und das stimmte. Viola hatte keinen festen Freund gehabt, als sie Teddy kennenlernte, und auch kaum Verehrer. Sie war zu still für die hiesigen Burschen, die eher jemanden wie Shirley umschwärmten, mit ihrem flammend roten Haar, der weißen Haut und den rosa Backen und der lauten, fröhlichen Stimme. Viola ging zwar gelegentlich tanzen und lernte dort Jungs kennen, und sie genoss diese Gelegenheiten, aber ebenso genoss sie es, mit ihrem Vater ins Kino oder Theater zu gehen oder ihn auf der Bühne zu erleben. Die Jungs interessierten sich nicht sonderlich für sie, und umgekehrt war es genauso. Nein, sie »überlegte« nicht, jemand anderen zu heiraten.
    Trotzdem hielt sich hartnäckig die Vorstellung – wenn sie sich gelegentlich ins hinterste Hinterstübchen ihrer Gedanken zurückzog und von Hochzeit und Liebe träumte –, diese Vorstellung, eines Tages Victor Spring zu heiraten.
    Alle Mädchen, die in Chesterbourne aufgewachsen waren – die Woolworth-Mädchen, die jungen Damen aus der Bank, die Friseusen in den beiden eleganten Salons, Verkäuferinnen, Tippsen und Sekretärinnen, die junge Empfangsdame im Miraflor Café und auch die dortigen Bedienungen – sie alle träumten – wenn sie sich gelegentlich ins hinterste Hinterstübchen ihrer Gedanken zurückzogen und von Hochzeit und Liebe träumten –, sie alle träumten davon, Victor Spring zu heiraten.
    Er war der reichste junge Mann in der Gegend, besaß das tollste Auto, das eleganteste Haus, gab die besten Partys. Er sah so gut aus, dass jedem jungen Mädchen, wie es so schön heißt, »das Herz höher schlug«. Er strotzte nur so vor Gesundheit und Energie. Wo er gewesen war, fühlten sich alle lebendiger.
    Diese Mädchen, die wie Viola in Chesterbourne oder Sible Pelden aufgewachsen waren und dort eine Anstellung gefunden hatten, wussten alles über Victor Spring, über seine verwitwete Mutter und seine Cousine Hetty Franklin, die bei ihnen lebte. Als diese Tagträumerinnen noch zur Schule gegangen waren, hatten sie ihn gesehen, wenn er an Weihnachten aus seiner Eliteschule nach Hause kam und im großen Schlitten seines Vaters durch den Ort fuhr, auf dem Weg zu irgendeiner Festivität in einem der anderen Herrenhäuser. Sein Anblick, wenn auch nur kurz erhascht, in seiner altmodischen Schuluniform (einem schwarzen Schwalbenschwanz) mit dem ebenso altmodischen, absurden, aber gleichzeitig umwerfend gut aussehenden schwarzen Zylinder, stieg ihnen sofort in die bezopften oder modisch kurz gestuften Köpfe, wo er sich jahrelang einnistete.
    Keine blieb seinetwegen Jungfrau oder versuchte sich in der Bourne zu ertränken. Alle fanden sich damit ab, eines Tages den Sohn des Schankwirts, des Schneiders oder des Apothekers zu heiraten, so wie ihre Mütter vor ihnen. Dennoch hielt sich in Chesterbourne und Sible Pelden immer ein sanfter, femininer Strom aus Spekulationen über das Kommen und Gehen von Victor Spring, über sein Einkommen und über die Frau, die er möglicherweise einmal heiraten würde.
    Viola träumte von ihm wie alle anderen, auch wenn sie nie mit dem jungen Halbgott gesprochen hatte. Selbst nachdem sie Mrs Theodore Wither geworden war (und nicht sonderlich glücklich, denn Teddy hatte nach seiner Heirat festgestellt, dass sie doch nicht so poetisch und wundervoll war, wie er gedacht hatte, und seine Zuneigung zu ihr hatte sich daher ein wenig abgekühlt),
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