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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade
Autoren: Torsten Fink
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vorzuenthalten und ihm nur diese eine Tochter geschenkt. Es hatte sich herausgestellt, dass sie die Begabung für sein wichtiges Handwerk geerbt hatte und dass sie geschickter darin war als alle Jungen der Sippe. Doch konnte ein Mädchen wirklich Schmiedin werden, die Zauberkräfte erlernen, die bis dahin den Männern vorbehalten waren? Nun war Tuwin, wie die meisten Schmiede, auch der Heiler des Klans, und vielleicht hätte man Wela dieses eine Amt überlassen, aber sie wollte beide Künste erlernen. Niemand hatte je gehört, dass so etwas vorgekommen wäre. Tuwin hatte sich viele Abende mit Yaman Aryak und auch mit Curru in dieser Angelegenheit besprochen. Alle Möglichkeiten waren sorgfältig erwogen und von allen Seiten betrachtet worden, bis sie nach mehreren Wochen endlich zu dem Schluss gekommen waren, Wela ihren Wunsch zu erfüllen. Nicht jeder war damit einverstanden. Bale war einer der Unzufriedenen und ließ das auch bei jeder Gelegenheit durchblicken. Er setzte zu einer scharfen Antwort an, wurde aber vom Yaman daran gehindert. »Genug davon«, rief Aryak und hob die Hand. Augenblicklich verstummte das Gemurmel.

    »Es ist ein dunkler Tag für unseren Klan«, begann er. »Der Schwarze Wolf ist in der Steppe und hat zu Curru gesprochen, und noch nie war es gut, wenn er sich zeigt. Viele haben gesehen, wie Lewe heute Mittag zu uns in Lager kam, die Kleidung befleckt von Blut, die Augen starr vor Schreck und die Zunge gelähmt. Wir müssen annehmen, dass es das Blut seines Vaters und seiner Brüder ist, das er zu uns brachte. Und wenn fünf unserer Krieger fallen oder verwundet werden, dann muss wirklich ein gefährlicher Feind über sie gekommen sein. Deshalb habe ich entschieden, das Lager abzubrechen und an die Zwillingsquellen zu verlegen. Sollte der Feind uns hier suchen, wird er uns nicht finden.«
    Der Yaman richtete sich im Sattel auf. Er ließ seinen Blick über die Runde schweifen, bis jeder in der schweigenden Menge das Gefühl hatte, der Yaman habe ihn gesehen und seine Sorgen verstanden. Dann fuhr er fort: »In einem hat Bale hier Recht. Es ist nicht die Zeit des Krieges. Weder die Budinier noch die Räuber aus dem Ödland ziehen in der Hitze des Sommers durch die Slahan. Auch ich kann nicht glauben, dass ein Feind gegen unser Lager vorrückt. Wenn der Feind Lewe gefolgt wäre, müsste er längst hier sein.«
    Awin blickte auf. Seine Meinung war also zum Yaman durchgedrungen. Er fing einen freundlichen Blick der Yamani auf. Aryak wartete, bis die Sippe verstanden hatte, dass die Gefahr vielleicht doch nicht so groß war, wie sie befürchtet hatten. »Dennoch werden wir Krieger nun zu den Schwarzen Bergen reiten und ergründen, was Elwah und seinen Söhnen widerfahren ist. Und sollte ihnen Schlimmes begegnet sein, werden wir nicht ruhen, bis die Schuldigen gefunden und bestraft sind.«
    Zustimmendes Gemurmel erhob sich. Awin konnte sehen, dass es dem Yaman gelungen war, die schlimmsten Befürchtungen zu zerstreuen. Allerdings nicht bei allen. Er sah Sigil, Elwahs
Frau, und ihre Schwiegertochter, die ihre Pferde am Zaumzeug heranführten. Hatten sie etwa vor, die Krieger zu begleiten?
    Curru hatte die Ansprache des Yamans genutzt, um die erforderlichen Opfer vorzubereiten. Die große Bronzeschale stand bereit. Ein Lamm zitterte unter Currus festem Griff. Curru erflehte den Segen Kalmons, des Gottes der Schwarzen Berge und ihres Klans, und opferte ihm das weiße Lamm. Und da ihr Weg sie in die Nähe der Slahan führte, brachte er auch Xlifara Slahan unter stummen Gebeten das Wasseropfer.
    »Wo ist Mewe?«, fragte Tuwin der Schmied, als der kurze Ritus beendet war. »Wir werden ihn brauchen.«
    Aryak nickte. »Ich habe ihn in die Steppe geschickt. Er soll Lewes Spur aufnehmen und uns warnen, falls unterwegs doch unangenehme Überraschungen auf uns warten.«
    Plötzlich war Gunwa bei Awin und hielt ihm einen Trinkschlauch und ein Paket hin. »Hier, Bruderherz, aber iss nicht alles auf einmal«, flüsterte sie.
    »Du hast den Yaman gehört, Schwester, wir ziehen nicht in den Krieg«, versuchte Awin sie zu beruhigen. Er hängte sich die Flasche um. »Ich bin auch viel zu sehr bepackt, um in den Kampf zu ziehen.« Es war ein schwacher Scherz, und er verfehlte seine beabsichtigte Wirkung.
    »Du musst zurückkommen, Awin, hörst du. Du bist doch der einzige Mensch, den ich noch habe.«
    Awin lächelte ihr zu. Er war froh, dass der Yaman endlich das Zeichen zum Aufbruch gab. Auch er machte sich Sorgen. Die
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