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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade
Autoren: Torsten Fink
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Ihre Schwiegertochter führte sie eilig davon.
    Ech gab Eri einen harten Stoß gegen die Schulter. »Wie kannst du nur! Wir wissen doch gar nicht, ob Elwah tot ist. Willst du Tengwil zwingen, dieses Schicksal über ihn zu verhängen?«
    Awin musste Ech zustimmen. Der Teppich des Schicksals bestand aus unzähligen Fäden, aber alle liefen sie durch die Hand der Großen Weberin. Ein unbedacht geäußerter Gedanke konnte zur Gewissheit werden, wenn er Tengwil zu Ohren kam.

    »Sieh da, der junge Seher«, rief Ebu. Die Herablassung in seiner Stimme war unüberhörbar. Manchmal dachte Awin, sie sei ihm angeboren und der älteste Sohn Aryaks könne gar nichts dafür. Awin band sein Pferd an einen der Zeltpfosten. Dort stand bereits ein kleiner struppiger Schecke, der, wenn er sich nicht täuschte, Lewe gehörte. Curru war nicht zu sehen. Sicher war er im Zelt. Awin war unschlüssig, ob er ihm folgen sollte. Ech schien seine Unsicherheit zu spüren: »Dein Meister ist bereits drinnen, und du solltest auch hineingehen. Das ist eine Sache für Seher, scheint mir«, sagte er freundlich.
    »Und für die, die sich so nennen«, meinte Ebu trocken. Awin mochte Ebu ebenso wenig wie dieser ihn, aber Ebu war der älteste Sohn des Yamans - sein Erbe -, und Awin schuldete ihm Achtung. Also drängte er sich stumm an ihm vorbei. Er brauchte einen Augenblick, um sich an das gedämpfte Licht im Zelt zu gewöhnen.
    »Ah, Awin, komm herein«, begrüßte ihn Yaman Aryak, der auf einem dicken Kissen saß. Seine Frau Gregil war dabei, einen Jungen mit warmem Wasser abzuwaschen. Sie nickte ihm aufmunternd zu. Aber auch ihre Freundlichkeit konnte nicht verhindern, dass sich Awin in der Nähe des Klanoberhauptes eingeschüchtert fühlte. Curru kniete vor dem Knaben und starrte ihm ins Gesicht.
    »Sieh nur zu, junger Seher, vielleicht vermagst du etwas zu lernen«, sagte Aryak und winkte ihn näher heran.
    Awin kannte Lewe als verträumten und etwas dickköpfigen Knaben, doch das, was er da vor sich sah, glich eher einem Gespenst als einem Kind. Seine Augen waren völlig leer, und seine mageren Arme hielt er eng an den Körper gepresst. Awin fragte sich, warum seine Mutter Sigil nicht bei ihm geblieben war.
    »Nun?«, fragte Aryak.

    Curru seufzte. »Die Dunkelheit hat sich fest um den Knaben geschlossen. Meine alten Augen vermögen sie nicht zu durchdringen. Ich denke aber, wir werden die Antwort auf unsere Fragen in den Schwarzen Bergen finden.«
    Der Yaman runzelte die Stirn. »Ich weiß, dass Elwah sein Vieh dort zu weiden pflegt, doch ist dieser Boden heilig. Selbst die Budinier wagen sich nicht in böser Absicht dort hin. Und sicher keine der jungen Hakul, die sich beweisen wollen.«
    »Ich war mit meinem Schüler in der offenen Steppe, Aryak, und ich sah die Fährte des Schwarzen Wolfs und den Flug des Geiers. Und sie sprachen beide von den Bergen. War es nicht so, mein Junge?«
    Awin nickte. Streng genommen war es nicht ganz so gewesen, aber er durfte seinen Meister natürlich nicht bloßstellen. Außerdem fand er selbst die Lage viel zu ernst, um jetzt über solche Kleinigkeiten zu streiten.
    »Und hast du auch sehen können, ob uns ein Angriff bevorsteht, alter Freund?«
    »Weder Wolf noch Geier wollten mir Genaueres sagen, Aryak, doch ich denke, wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen. Es war der Schwarze Wolf. Es ist gut, dass du das Lager abbrechen lässt.«
    Awin dachte nach. Krieg? Es wäre eine seltsame Zeit für die Budinier, auf Kriegszug zu gehen. Es war Sommer, da waren ihre Männer auf den Feldern beschäftigt. Vielleicht eine der Banden, die aus der nördlichen Einöde gelegentlich bis ins Staubland kamen? Auch das konnte er sich nicht recht vorstellen. Die Slahan war in diesen Wochen ein Glutofen. Wer sich jetzt durch sie hindurchquälte, musste schon einen großen Gewinn erwarten.
    Der Yaman nickte. »Wir werden das Lager an die Zwillingsquelle verlegen«, erklärte er und erhob sich. »Kommt, ich sage den Männern, sie sollen sich auf den Kampf vorbereiten.«

    Awin folgte den Männern hinaus, aber dann drehte er sich im Ausgang noch einmal zur Frau des Yamans um. Ihm war etwas eingefallen. »Sag, ehrwürdige Gregil - Lewe, er kam doch zu Pferd ins Lager, nicht wahr?«
    Gregil war dabei, den Knaben abzutrocknen. Er ließ es immer noch völlig teilnahmslos über sich ergehen. Sie blickte auf, runzelte die Stirn und nickte.
    »Es ist das kleine struppige, das an eurem Zelt angebunden ist, oder?«
    »Das ist es«, bestätigte
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