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Der Sohn der Kellnerin - Heinzelmann, E: Sohn der Kellnerin

Der Sohn der Kellnerin - Heinzelmann, E: Sohn der Kellnerin

Titel: Der Sohn der Kellnerin - Heinzelmann, E: Sohn der Kellnerin
Autoren: Ellen Heinzelmann
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wieder auf und stellte fest, dass sich das Abteil, indem sie vor ihrem Schlaf alleine saß, plötzlich bis zum letzten Patz gefüllt hatte. Der Zug führ langsam in München ein und Hannah versuchte auf dem vorbeiziehenden Bahnsteig Alexander auszumachen. Sie konnte ihn nirgends entdecken. Hatte er sie vergessen? Vielleicht hatte sie ihn auch nur übersehen. Schließlich liefen und standen eine Menge Leute auf dem Bahnsteig herum. Sie stieg aus dem Zug und blickte um sich. Nichts. Enttäuscht ging sie zum Treppenabgang und da sah sie Alexander, der keuchend um die Ecke gespurtet kam.
    “Puh”, sagte er atemlos, “gerade noch rechtzeitig.” Sie begrüßten sich mit inniger Umarmung und gingen schließlich zum Ausgang. Bald saßen sie im Auto, das Alexander sich von Claus, einem Kommilitonen, ausgeliehen hatte und Hannah sprühte vor Beflissenheit, als sie unaufhörlich auf Alexander einredete. Sie hatte so viel zu erzählen und er amüsierte sich ob des kindlichen Eifers seiner Freundin.
    “Komm, lass uns noch in den englischen Park gehen. Es ist so schönes Wetter, das man genießen sollte”, schlug Alexander vor, als Hannah ihn endlich zu Wort kommenließ. Sie grinste und stellte lakonisch fest: “Habe ich zu viel gequasselt?”
    “Mitnichten”, witzelte er, “Kein Wort zu viel. Ehrlich.” Sie schauten sich an und prusteten gleichzeitig los.
    *
    Alexander war ein wundervoller Mensch. Obwohl er nicht die beste Ausgangslage in seinem Leben hatte, wuchs er zu einem anständigen und respektvollen Mann heran, der sehr liebevoll und zärtlich sein konnte. Er erlebte in seiner Kindheit nicht diese liebevolle Geborgenheit wie Hannah sie kannte. Er hatte einen gestrengen Vater, der höchste Ansprüche an ihn stellte und ihn streng bestrafte, wenn er diesen Ansprüchen nicht gerecht wurde. Sein Vater war Ingenieur und hielt Alexander lange Vorträge über hochtechnische Themen. Um seine sadistische Ader befriedigen zu können, hieß er ihn, wohl wissend, dass der Junge solche schwierige Sachverhalte nicht wiedergeben konnte, das Gesagte in einem Aufsatz niederzuschreiben. Da saß seine Hand ziemlich locker und ehe Alexander sich versah, fühlte er den brennenden Abdruck einer schallenden Ohrfeige begleitet mit dem Kommentar: “Du Idiot, du bist doch dümmer, als die Polizei erlaubt. Na ja, was sollte man auch erwarten bei der Mutter”. Auch belanglose Dinge, wie das ungemachte Bett waren Grund zur Bestrafung. Nicht selten hieß Bestrafung auch körperliche Züchtigung mit dem Gürtelriemen, die, wie der Vatererklärte, noch niemandem geschadet hatte. Alexander lernte viele Facetten von Bestrafung kennen. Dazu gehörte auch, dass er in sein Zimmer gesperrt wurde und auf sein Abendessen verzichten musste. Oder der Vater trug ihm, um ihn zu demütigen, unnütze Arbeiten auf, die ihn einen ganzen Nachmittag beschäftigten. So verlangte er zum Beispiel, dass er das Brennholz für den Winter umstapelte und zwar von der einen Wand an die gegenüberliegende, und wenn er fertig war, ging die ganze Sache wieder zurück an die ursprüngliche Wand. Er erklärte seinem Sohn, dass das notwendig sei, weil sich ja Mäuse und sonstiges Ungeziefer einnisten konnten, die man rechtzeitig unschädlich machen musste. In Wirklichkeit war es reine Schikane, die er sich da ausdachte und er genoss es sichtlich: “Zu mehr taugst du ja nicht”. Alexanders Mutter war schwach und traute sich nicht, sich gegen ihren jähzornigen, groben Mann aufzulehnen. So lange er Alexander quälte, hatte sie schließlich ihre Ruhe.
    Alexander konnte sich nicht bei seiner Mutter anlehnen, was er sehr gerne getan hätte. Er lechzte nach Liebe und Wärme, was er nie bekam. Trotzdem ist er nicht auf der Suche nach Liebe und Verständnis in zweifelhaften Gruppen gelandet und abgedriftet, wie es allzu oft bei Kindern ohne Nestwärme der Fall ist. Zudem war Alexander ein guter Schüler, der sehr beliebt war. Er hatte ein Ziel vor Augen und das verfolgte er ohneUmwege. Dass er mit seinen inzwischen geschiedenen Eltern keinen Kontakt mehr wünschte, konnte ihm jeder nachfühlen. Er gab ihnen nicht einmal seine neue Adresse bekannt, als er mit Hannah zusammenzog. Sie sind einfach aus seinem Leben verbannt worden. Das Bankkonto, das sein Vater dennoch für Alexander im Hinblick auf eine spätere Ausbildungszeit großzügig auffüllte, fand er nicht mehr als angemessen für entgangene Liebe und Nestwärme. Er meinte, dass sich sein Vater damit von seiner Schuld
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