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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut
Autoren: Anke Napp
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und blickte in den Garten ohne wirkliches Interesse an den kunstvoll arrangierten Bäumen und Büschen rings um den Teich. Sie hatte an gar nichts mehr Interesse, solange sie nichts über den Verlauf des Feldzuges wusste. Hatte Smendes mit seinen Libyern die Truppen aus Kemet besiegt; führten sie Amenemhat als Gefangenen mit sich? Drei Tage hatte sich Nefertari an der Vorstellung dieser Szene ergötzt. Aber jetzt begann sie schal zu werden. Ihr Rachedurst lechzte nach größerer Befriedigung.
    Auch wo Kiya sich befand, hatte Nefertari noch nicht in Erfahrung bringen können. Das junge Mädchen war wie vom Erdboden verschluckt. Nun, im Grunde war ihr völlig gleichgültig, was aus der Witwe ihres Sohnes geworden war; Kiya hatte ihre Bedeutung ohnehin längst eingebüßt. Aber ihr Kind… Inys Frucht… 
    Laute Stimmen aus dem Garten erzwangen Nefertaris Aufmerksamkeit. Sie beugte sich über die Brüstung und erkannte den Wesir, der mit einem anderen Höfling sprach, sowie einige miteinander flüsternde Dienerinnen. Der Wesir wandte sich gerade in Richtung des Palastes. Aber bevor jener sie erreichte, rannte bereits eine der Zofen in Nefertaris Gemach, dabei fast die Vorhänge herunter reißend vor Eifer.
    „Herrin!“ rief sie, sich eilig verneigend, „Großartige Neuigkeiten! Die Götter seien gepriesen! Der Erhabene Amenemhat hat die Feinde Kemets besiegt und in die Flucht geschlagen!“
    Nefertari stockte der Atem. Im nächsten Moment wogte eine übermächtige Freude durch sie, die sie einhüllte wie ein Kokon aus Licht, und blendete. Für einen kurzen Augenblick war Amenemhats Verrat vergessen… Erst als der Wesir eintrat, realisierte sie in ganzer Tiefe, was sie soeben gedacht und gefühlt hatte. Aber Nefertaris Freude begann sich in eine eisige Klammer zu verwandeln, die sich um ihren Hals legte, als sie der Nachricht weiter lauschte. Ja, Amenemhat befand sich auf dem Rückweg nach Waset, und Smendes von Men-Nefer mit ihm. Nicht als Gefangener, sondern als Vizekönig von Unter-Kemet. In Abudo sei der feierliche Zug unterdessen, und Jubel begleite den gesamten Weg. Lobpreis für den Auserwählten Amun-Ras… für den neuen Pharao…
    „…Ehrwürdige Herrin, findet diese Regelung für den Empfang dein Wohlgefallen?“
    Sie hatte nur am Rande etwas von einem festlichen Zug des Hofes und der Priester vernommen und nickte jetzt. „Verfahre nach deinem Gutdünken!“
    Das war offenbar die Entscheidung, die der Wesir erwartet hatte und die ihm behagte, denn er entfernte sich mit froher Miene. Nefertari biss sich auf die Fingerknöchel und begann, auf und ab zu wandern. Wusste Amenemhat, was sie hier geplant hatte, während er die Truppen gen Norden führte? Hatte Kahotep sie hintergangen oder hatte Smendes sie verraten? Doch – nein, sagte sie sich nach einer Weile, wenn dem so wäre, hätte der Wesir sie nicht in dieser Weise aufgesucht. Dann hätte Amenemhat ohne Frage seinem Boten eine versiegelte Nachricht anvertraut, und sie wäre bereits in den Kerker abgeführt worden… Er konnte noch nichts wissen!
    Als sich zwei dunkelhäutige Hände um ihre Oberarme schlossen, fuhr Nefertari zusammen.
    „Was ist? So entsetzt über meine Berührung?“ Kemars Stimme. „Das sah aber letzte Nacht noch anders aus…“ Er neigte den Kopf und biss sie in den Nacken.
    Nefertari empfand Widerwillen, der an Ekel grenzte. „Lass mich los!“ zischte sie und stieß den Gardekommandanten zurück. „Was erlaubst du dir?!“
    „Was sich jeder Mann mit einer Hure erlaubt, Nefertari!“ Kemar grinste böse. Der Ausdruck in seinen Augen sagte ihr deutlich, dass sie in diesem Moment nicht mehr für ihn galt als eine beliebige Sklavin, die er am Flussufer vergewaltigte. „Oder soll ich dem Wesir gegenüber erwähnen, dass du den glorreichen Retter Kemets vor dir im Staub liegen sehen wolltest? Was würde Amenemhat mit dir tun, wenn er das wüsste, was meinst du?“
    Sie wandte hastig den Kopf zur Seite, sowohl um Kemars Kuss zu entgehen, als auch sich nach Hilfe umzusehen. Aber Nefertari war allein; ihre Dienerinnen hatten seit Jahren gelernt, unter welchen Umständen es besser war, sich unauffällig davon zu stehlen. Mit einem Mal fühlte sie sich bloß gestellt. Wehrlos nicht nur Kemar gegenüber, sondern auch ihren eigenen Gefühlen, die wild und unkontrollierbar in ihr tosten.
    „Ich kann Amenemhat immer noch erledigen, meine kleine Katze“, fuhr Kemar fort, dabei die Finger um ihren Hals legend und mit ihrem Ohrschmuck
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