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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut
Autoren: Anke Napp
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spielend. „Er ist nur ein Mensch, kein Gott. Nur ein Mensch und sterblich... Du weißt, ich bin ein hervorragender Bogenschütze. Ich kann ihm sein Herz durchbohren, wenn er in Waset einmarschiert. Wie würde dir das gefallen?“

    „Gelobt sei Ptah, der Allerbarmer, am kommenden Tag, jede Stunde der Reise der heiligen Barke...“ 
    Kahotep hatte die allmorgendliche Litanei angestimmt, und sein Assistent setzte sie fort, während der Oberpriester die goldene Statue des Gottes salbte und in ein neues weißes Leinentuch kleidete. Die Worte kamen Kahotep aus dem Herzen und er verrichtete den Dienst mit soviel Freude wie seit vielen Wochen nicht mehr. Die Last, die ihm so lange mit erdrückender Gewalt auf den Schultern gelegen hatte, war verschwunden. Jetzt fragte er sich, wie er so starrköpfig und blind hatte sein können, die Macht der Götter hatte so gering schätzen können, dass er sich als einzige Möglichkeit zur Erlangung dieses Zieles sah. Der Frevel des Hochmutes! 
    Ein kurzes bitteres Lächeln huschte über Kahoteps Lippen, als er sich vor seinem Gott verneigte und die Gaben von Früchten und Blumen darbrachte. 
    Der Frevel des Hochmuts, genau wie er auch Amenemhat befallen hatte! In der Tat, er war geblendet gewesen, bekannte er erneut, in die glänzenden Augen seines Gottes blickend. Aber dies gehörte der Vergangenheit an. Was die Gegenwart anbelangte, würde er den Willen der Götter respektieren, wie auch immer dieser aussah...
    Als Kahotep das Innere des Tempels verließ, kam ihm einer der Schreiber entgegen gerannt. Ehe der Oberpriester dazu kam, die unziemliche Eile zu rügen, sprudelte der andere junge Mann ihm entgegen: „Amenemhat ist auf dem Rückweg nach Waset! Als Sieger, Erhabener!“
    Ein Nicken war alles, was Kahotep im ersten Moment zuwege brachte. Die Götter hatten also ihren Willen kundgetan... Und – allmählich senkte sich diese Wahrheit in ihn – die beiden Länder waren von der Bedrohung durch die Libyer und die Gaufürsten befreit, gegen die Ramses so zögerlich vorgegangen war. Es war eine freudige Botschaft, auch wenn sie seinen Gegner in den Weihrauch des Erfolgs hüllte. Es war ein Festtag! Kahotep holte tief Atem und blickte hinüber zum Fluss, in dessen morgendlichen Dunst sich die ersten Fischerboote sammelten. Es hieß, wenn der Nebel sich bis in diese Stunde hielt, würde die nächste Flutperiode reichlich sein und die Ernte gut werden.
    Vielleicht hatten die Götter tatsächlich beschlossen, dass die Söhne und Töchter Kemets in den letzten Monaten genügend gebüßt hatten, und sie neigten sich ihnen wieder zu. Kahotep hoffte es innig, während er sich zu Kiya begab, um ihr die Ereignisse mitzuteilen. 
    Erneut fragte er sich dabei, was aus ihr und ihrer kleinen Tochter werden würde, auf welche Weise er sie schützen könnte. Als er bei ihr eintrat, hatte der junge Oberpriester beschlossen, dass er zum zweiten Mal dem künftigen Herrn der beiden Länder entgegen reisen würde. Kiyas Leben vor aller Augen Amenemhat anzuvertrauen war sicher der wirksamste Schutz, den sie erhalten konnte…

     Das Leitschiff segelte gemächlich seiner Flotte voran in die frühen Morgenstunden. Aus dem Nebel am Ufer war das Quaken der Frösche zu hören. Frieden und Leben…
    Nicht der Klang des Schlachtfeldes und des Sterbens…
    Amenemhat saß vor der Kajüte und ließ die Augen über das erwachende Land schweifen. Als Debora sich neben ihn setzte, wandte er sich ihr zu.
    „Du solltest dich ausruhen“, sagte sie und strich über seinen Arm, dabei den Zustand des am Abend angelegten Verbandes prüfend.
    „Es geht mir gut“, versicherte er ihr. „Ich denke nur darüber nach, welche Wege als nächstes zu beschreiten sind. Die Gefahren für Kemet sind nicht aus der Welt geschafft mit einer gewonnenen Schlacht. Schon gar nicht bei den vielen hundert Leben, die sie gekostet hat. Wir sind verwundbarer denn je! Auch der Vertrag mit Smendes reicht mir nicht. Das Bündnis muss noch mehr untermauert werden, auf persönlicher Ebene.“
    „Du denkst an eine Eheschließung?“
    Er nickte. „Entweder Kiya mit dem Sohn Smendes’ oder… ihr Kind, wenn es ein Mädchen ist. Das wäre besser.“ 
    Den Kopf in die Hände stützend schloss er die Augen. In den vergangenen Stunden hatte sich der Gedanke an Kiyas Kind mehrfach in seinen Geist geschlichen. Er empfand eine Mischung aus Freude, Anspannung und Trauer, umso mehr, je hartnäckiger er versuchte, dieses Kind lediglich von der Warte
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