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Der siebte Turm 03 - Aenir - Reich der Schatten

Titel: Der siebte Turm 03 - Aenir - Reich der Schatten
Autoren: Garth Nix
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nicht benutzen, denn er sah ihn nicht. Er musste das Licht sehen, um es nach seinem Willen formen zu können. Sonst würde er den Ring nur zum Leuchten bringen.
    Wenn er doch nur seinen Schattenwächter noch hätte, dachte er. Der hätte etwas unternehmen können. Doch er war jetzt frei, da Tal alt genug war, um seinen eigenen Geistschatten an sich zu binden, eine der Kreaturen von Aenir zu seinem Diener zu machen, sie mit zurück zum Schloss zu nehmen und…
    Alt genug, um einen Geistschatten an sich zu binden…
    Tal konnte versuchen, den Sturmhirten an sich zu binden, der ihn zu Boden drückte. Er konnte die Kreatur zu seinem Diener machen.
    Es war vielleicht die einzige Chance, ihr Leben zu retten. Und doch zögerte Tal, als alle möglichen Gedanken wie die Blitze der Sturmhirten durch seinen Kopf zuckten. Er konnte nur eine Kreatur von Aenir als Geistschatten an sich binden. Das würde die wichtigste Handlung sein, die er jemals unternahm. Sein Geistschatten würde Einfluss auf seine gesellschaftliche Position im Schloss haben. Er würde ihm beim Aufstieg zu den Violetten helfen – oder beim Abstieg zu den Roten.
    Er hatte immer geplant, verschiedene Kreaturen von Aenir genau anzusehen, bevor er sich für eine davon entschied. Er wollte ihre Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen. Mit seinen Eltern darüber reden, welche Kreaturen am besten waren. Sich mit seinen Freunden besprechen.
    Tal wusste nicht einmal, wie ein Sturmhirte aussah. Er hatte noch nie einen gesehen, weder in Aenir noch im Schloss. Vielleicht waren sie wirklich armselige Geistschatten?
    Doch wenn er die Sturmhirten nicht an sich band, würde er vielleicht sterben. Dann würde es niemanden mehr geben, der Gref, Kusi oder seine Mutter retten könnte. Und der seinen Vater finden könnte.
    Was würde Rerem jetzt tun?, fragte sich Tal.
    Es war beinahe so, als könnte Tal die Antwort seines Vaters hören. Als spürte er seine Nähe bei der Umarmung zum Abschied.
    Kümmere dich um deine Mutter und die Kleinen, Tal. Ich verlasse mich auf dich.
    Tal spürte, wie die Tränen hochstiegen. Bis jetzt hatte er nur versagt. Seine Mutter Graile lag im Koma. Sein Bruder Gref war irgendwo in Gefangenschaft, entführt von einem Geistschatten, von dem Tal hoffte, dass der Kodex ihn identifizieren konnte. Seine kleine Schwester Kusi war bei den Kusinen seiner Mutter untergebracht, die auch noch Freunde von Schattenmeister Sushin waren, Tals erklärtem Feind. Sein Vater Rerem war verschollen. Der einzige Hinweis auf sein Schicksal hatte sich in einer illegalen Gefängnisgrube im Schloss gefunden.
    Tal biss entschlossen die Zähne zusammen. Er würde nicht mehr versagen.
    Er würde alles tun, was nötig war. Seine Wahl eines Geistschattens war unwichtig, wenn er jetzt auch einen Stich in der Brust spürte, als er seinen lang gehegten, kostbaren Traum aufgab.
    Er würde den Sturmhirten an sich binden.
    Doch dafür musste er wieder sehen können.
    Tal begann zu blinzeln in der Hoffnung, es könnte etwas helfen. Er war doch hoffentlich nur vorübergehend geblendet? Was wäre, wenn der Sturmhirte ihn umbringen würde, bevor er wieder sehen konnte? Doch dann dachte Tal wieder daran, dass sie nur ein Leben haben wollten…
    Das Blinzeln half. Tal konnte langsam wieder sehen. Flecken undeutlicher Farben flossen ineinander und gewannen an Schärfe.
    Der Sturmhirte drückte ihn mit nur einem einzigen wolkigen Finger zu Boden. Der andere brauchte zwei seiner drei Finger, um Milla unten zu halten. Tals Arme und Hände waren frei. Und trotz des nicht enden wollenden Regens und des heulendes Windes, der um die Sturmhirten blies, konnte er seinen Sonnenstein wieder sehen. Am Fuße des Hügels regnete es nicht einmal.
    Tal hatte viele Jahre lang geübt, wie man eine aenirische Kreatur an sich binden musste. Die Ausbildung aller Kinder der Erwählten war auf den Augenblick gerichtet, an dem sie eine Kreatur an sich binden und sie zurück in das Schloss in der Dunkelwelt bringen würden, damit sie ihnen als Geistschatten dienten. Er kannte alle Zaubersprüche und Rituale auswendig.
    Zuerst musste er etwas tun, was man ,Die Grenzen markieren‘ nannte. Dann musst er ,Die Worte sprechen‘. Und schließlich mussten sie ,Den Schatten teilen‘.
    Er hätte niemals gedacht, dass er diese Dinge tun würde, während er auf dem Rücken lag und ihn der doch recht feste Finger eines Sturmhirten in den Schlamm drückte.
    „Wer von euch beiden soll sterben?“, donnerten die Sturmhirten,
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