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Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Titel: Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
Autoren: Stephen R. Donaldson
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tranken sie alle drei, als hätten sie stillschweigend ein Wetttrinken beschlossen. Der Fahrer beugte sich vor und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Ich muß Sie warnen, Kumpel«, sagte er. »Schließlich ist's ja Ihr Kies. Ich kann Sie untern Tisch saufen.«
    »Ich glaube«, antwortete Covenant, um dem dritten Mann eine Goldene Brücke für den Einstieg ins Gespräch zu bauen, »unser Freund hier kann länger als wir zwei durchhalten.«
    »Was, so ein kleiner Kerl?« Der Ton des Fernfahrers verriet gutmütigen Humor, ein Angebot von Kameradschaft. »Unmöglich. Völlig ausgeschlossen.« Aber der feierlich-ernste Mann erkannte die Existenz des Fahrers nicht einmal durch ein Augenzwinkern an. Er stierte in die Tiefe der Bühne wie in einen Abgrund. Für eine Weile beherrschte seine Düsterkeit die Stimmung am Tisch. Covenant gab eine neue Bestellung auf, und wenige Minuten später brachte der Kellner die dritte Runde – wieder drei Drinks. Diesmal griff der Lasterfahrer ein. Auf scherzhafte Weise, als sähe er sich als für Covenant verantwortlich an, wies er mit dem Daumen auf den Mann in mittleren Jahren. »Ich hoffe, Sie wissen«, wandte er sich an den Kellner, »daß wir für ihn nicht zahlen?«
    »Klar.« Der Kellner wirkte gelangweilt. »Er hat hier eine Dauerbestellung laufen. Zahlt im voraus.« Verachtung straffte seine Miene, schien sie zusammenzuziehen wie das Schließen einer Faust rings um seine Nase. »Jeden Abend kommt er her, bloß um ihr zuzuschauen und zu zechen, bis er nicht mehr aus den Augen gucken kann.« Ein anderer Gast winkte, und im nächsten Moment war der Kellner weitergeeilt.
    Zunächst sagte der dritte Mann nichts. Langsam dunkelte die Beleuchtung, und durch den vollbesetzten Klub wisperte wie ein Schleier erwartungsvolles Raunen. »Meine Frau«, krächzte da der Mann auf einmal gedämpft in die Stille. Ein Scheinwerferlichtkegel fiel auf die Bühne, und der Conférencier betrat sie von der Seite. Hinter ihm nahmen Musiker ihre Plätze ein – eine kleine Combo in peinlich sorgfältiger Kleidung.
    Der Conférencier lächelte, so daß seine Zähne aufblitzten, und begann seinen Auftritt. »Heute macht es mich persönlich traurig, unsere liebe Freundin anzukündigen, denn dies ist das letzte Mal, daß sie hier bei uns ist – jedenfalls für einige Zeit. Sie geht von hier aus dorthin, wo bekannte Persönlichkeiten richtig berühmt werden. Wir im Klub The Door werden sie so bald nicht vergessen. Und denken Sie später dran – hier haben Sie sie zuerst gehört. Meine Damen und Herren, Miß Susie Thurston!« Der Lichtkegel umfaßte die Sängerin, als sie zum Vorschein kam, ein Mikrofon in der Hand. Sie trug Leder: einen Rock, der ihre Beine zum größten Teil entblößt ließ, und eine ärmellose Weste mit Fransen über den Brüsten, die ihre Bewegungen unterstrichen. Ihr blondes Haar war kurzgeschnitten, ihre Augen dunkel, umgeben von tiefen Hohlkreisen, die aussahen wie Blutergüsse. Sie hatte eine volle, ansprechende Figur, aber ihr Gesicht widersprach deren einladendem Reiz; ihre Miene drückte Verlassenheit und Heimatlosigkeit aus. Mit klarer, zerbrechlicher Stimme, die gut für flehentliche Anrufungen getaugt hätte, sang sie eine Reihe von Liebesliedern, so trotzig, als seien sie Protestsongs. Nach jeder Nummer ertönte Beifall wie Donner, und seine Lautstärke brachte Covenant jedesmal ins Bibbern. Als der erste Teil der Vorstellung vorüber war und Susie Thurston sich zurückzog, um eine Pause einzulegen, bedeckte ihn kalter Schweiß. Der Gin übte allem Anschein nach keine Wirkung auf ihn aus. Aber er benötigte irgendeine Art von Beistand. Mit gewisser Verzweiflung ließ er eine weitere Runde kommen. Zu seiner Erleichterung führte der Kellner die Bestellung recht schnell aus. Nachdem der LKW-Fahrer seinen Scotch hinabgestürzt hatte, lehnte er sich absichtsvoll herüber. »Ich glaube«, meinte er, »ich habe diesen Lumpenhund durchschaut.«
    Der düstere Mann scherte sich nicht um seine Tischgenossen. »Meine Frau«, röchelte er von neuem schmerzlich hervor.
    Covenant gedachte zu verhindern, daß der Fahrer so unverhohlen über den Dritten am Tisch sprach, aber ehe er ihn ablenken konnte, redete der Einarmige weiter. »Er macht's aus Gehässigkeit, das ist's.«
    »Gehässigkeit?« wiederholte Covenant ratlos. Er begriff nicht den Zusammenhang. Soviel er feststellen konnte, hatte ihr Tischgeselle – ohne Zweifel glücklich oder zumindest hartnäckig verheiratet,
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