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Der Schwur der Ritter

Der Schwur der Ritter

Titel: Der Schwur der Ritter
Autoren: Jack Whyte
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der Frauen von edlem Geblüt drangsaliert?«
    Sie biss sich auf die Lippen, und er konnte sehen, dass sie überlegte, ob sie mehr sagen sollte, doch dann richtete sie sich auf. »Die Männer des Königs. William de Nogarets Männer.«
    Sinclair betrachtete sie immer noch sinnend. Er ließ sich nichts anmerken, obwohl ihre Worte ihn aufgeschreckt hatten. William de Nogaret, der bedeutendste Advokat König Philipps IV., war der meistgefürchtete und -gehasste Mann von ganz Frankreich. Dieses Eingeständnis der Frau, das dem verzweifelten Entschluss entsprang, Tam einzig aufgrund ihrer gemeinsamen Heimat zu trauen, ließ ihm nur zwei Möglichkeiten: sie entweder zu verraten oder ihr Komplize wider die Helfershelfer des Königs zu werden und damit Folter und Tod zu riskieren. Einen Moment noch verharrte er reglos, während sich seine Gedanken überschlugen, dann verzog sich sein Gesicht zu einem angedeuteten Lächeln.
    »Ihr seid auf der Flucht vor de Nogaret? Himmel, meine Gute, einen besseren Grund für Eure Bitte hättet Ihr nicht nennen können. Bleibt, wo Ihr seid; ich muss mir als Erstes einen Überblick über die Lage verschaffen.«
    Die Frau duckte sich hinter den Wagen, während Sinclair begann, über die Vorderachse auf den Bock zu steigen. Er war nach wie vor skeptisch und neugierig, doch irgendwie hatte er das Gefühl, das Richtige zu tun. Er blieb mit dem Fuß auf der Achse stehen, um über die Köpfe der Menge hinwegzuspähen, und sah den Mönch immer noch wie versteinert über dem Toten stehen. Sinclair prustete leise und schwang sich auf den Kutschbock.
    Dort nahm er die Zügel in die Hand, griff nach der Peitsche zu seinen Füßen und stieß einen lauten Pfiff aus. Seine beiden Gehilfen kamen angelaufen und schwangen sich behände auf das Gefährt. Der Junge namens Ewan setzte sich neben Tam auf die Bank, der andere machte es sich zwischen den Frachtstücken bequem. Doch auch mit der Peitsche in der Hand machte Sinclair keine Anstalten, seine Pferde in Bewegung zu setzen. Er konnte nirgendwo hin. Es herrschte zwar Gedränge und Geschubse in der Menge, doch sie bewegte sich nicht weiter. Die Wachtposten waren bisher noch nicht auf die Idee gekommen, die Wartenden weiterzuwinken.
    Die drei Toten hatten anscheinend einen Handkarren dabeigehabt, und Tam entnahm den Gesprächsfetzen der Passanten, dass die drei Männer geflüchtet waren, als die Wachen Anstalten gemacht hatten, den Karren zu durchsuchen und einen von ihnen zu ergreifen. Während er jetzt beobachtete, wie eine Handvoll Wachen den vollbeladenen Karren umschwärmte, fragte sich Tam schulterzuckend, welcher Teil seiner Ladung es wohl wert gewesen sein könnte, dafür zu sterben. Bevor er noch neugieriger werden konnte, befahl der Korporal, den Karren in das Torhaus zu schieben und ihn dort zu durchsuchen. Tam sah ihnen dabei zu, dann richtete er den Blick auf die Gestalt des Ritters mit der rauen Stimme, der aus dem Turm gekommen war und jetzt über die freie Fläche zu den Toten hinüberstolzierte.
    Er war nicht besonders groß, dieser Ritter, doch der polierte Brustpanzer, den er über einem Kettenhemd trug, und sein hoher Metallhelm ließen ihn im Licht des Spätnachmittags kräftiger erscheinen. Die Livree des Königs, ein weißer Überrock mit königsblauen Rändern und der Lilie des Hauses Capet auf der Brust, trug das Ihre dazu bei, ihm Autorität zu verleihen.
    Von seinem Aussichtspunkt aus beobachtete Tam Sinclair ihn gelassen. Er war selbst zu lange Soldat gewesen, war zu weit gereist und hatte zu oft erlebt, wie Männer um ihr Leben bangten, um sich von Äußerlichkeiten beeindrucken zu lassen. Zu oft hatten sie wenig mit der Substanz dessen zu tun, was sie verzierten. Der Mann vor seinen Augen war ein Ritter des Königs, doch für Tam sagte das allein noch nichts über seinen Charakter oder seine Tapferkeit aus. Man nannte den König von Frankreich Philipp den Schönen, weil der Mann eine Augenweide war. Doch er wusste natürlich, dass dies nur Schein war. Keiner, der mehr über den mächtigen Monarchen wusste, wäre je auf die Idee gekommen, ihn etwa als Philipp den Gerechten oder den Mitfühlenden zu bezeichnen. Philipp Capet, der vierte Träger dieses Namens, ein Enkel Louis IX., genannt der Heilige, war ein selbstsüchtiger, kalter, ehrgeiziger Tyrann. Und viel zu viele der Ritter und Vertrauten, mit denen er sich umgab, waren aus demselben Holz geschnitzt.
    Dieses Exemplar hier hatte prahlerisch sein Schwert gezogen, und die
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