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Der Schwur der Ritter

Der Schwur der Ritter

Titel: Der Schwur der Ritter
Autoren: Jack Whyte
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begleitet von Ewan. Die rostfleckigen Finger wischte er sich an seinem Rock ab, bevor er auf die Frau zeigte.
    »Wer ist das?«
    »Meine Frau, die Mutter meiner beiden Söhne.«
    »Eure Frau? Woher soll ich wissen, dass das wahr ist?«
    »Warum sollte ich denn lügen? Sieht sie vielleicht wie eine Dirne aus? Wenn Ihr Augen im Kopf habt, seht Ihr die Augen in ihrem Kopf – und die meines Sohnes an ihrer Seite.«
    Der Wachtposten sah aus, als wollte er erneut beleidigt auf Sinclairs respektlosen Ton reagieren, doch dann warf er einen Blick auf seine breiten Schultern und trat einfach nur einen Schritt näher, um die Frau und den jungen Mann besser sehen zu können. Er betrachtete beide und verglich ihre Augen.
    »Hmm. Und wer ist das hier?« Er zeigte auf Ewan, der immer noch neben ihm stand.
    »Mein anderer Sohn. Fragt ihn. Er spricht Eure Sprache.«
    »Und wenn ich Eure … Frau frage?«
    »Fragt ruhig. Ihr werdet nur einen verständnislosen Blick ernten. Sie kann kein Wort von dem verstehen, was Ihr sagt.«
    Der Korporal richtete den Blick auf die Frau. »Sagt mir Euren Namen.«
    Die Frau wandte sich mit großen Augen zu Tam um, der sich auf dem Kutschbock zurücklehnte und auf Schottisch sagte: »Er will wissen, wie du heißt.«
    Sie beugte sich vor, um den Korporal und den Ritter anzusehen, der die Szene nach wie vor beobachtete, dann richtete sie den Blick unsicher wieder auf Tam.
    »Sag ihm deinen Namen«, wiederholte er.
    »Mary. Mary Sinclair.« Ihre Stimme war hoch und leise, ihr Akzent der Singsang der schottischen Landbevölkerung.
    »Und wo kommt Ihr her?«, fragte sie der Korporal.
    Erneut der hilflose Blick auf Tam, der zu ihr sagte. »Das ist doch dumm. Der Narr will wissen, wo du herkommst. Ich habe ihm zwar gesagt, dass du seine Sprache nicht sprichst, aber es will ihm nicht in seinen Dickschädel. Sag ihm einfach, woher wir sind.«
    Tam wagte es nicht, den Ritter anzusehen, doch er war sich sicher, dass der Mann genau zuhörte und sie verstand. »Sag es ihm, Mary. Woher wir sind.«
    Sie richtete den Blick wieder auf den Korporal und blinzelte. »Inverness«, sagte sie. »Inverness in Schottland.«
    Der Wachtposten starrte sie noch einige Momente lang an, dann richtete er den Blick wortlos auf den weißblau berockten Ritter, der jetzt ebenfalls vortrat, um die Frau und den jungen Mann an ihrer Seite zu betrachten. Er spitzte die Lippen, während er den Blick zwischen den beiden hin und her wandern ließ, dann trat er zurück und entließ sie mit einer Handbewegung.
    »Fahrt«, sagte der Korporal. »Fort mit euch.«

2
    S
    OBALD SIE NICHT mehr in unmittelbarer Sichtweite des Stadttors waren, hielt Tam den Wagen an und wandte sich im Licht der rasch zunehmenden Dämmerung an die Frau auf dem Kutschbock.
    »Wohin wollt Ihr denn?«
    »Es ist nicht weit. Wenn der junge Mann mir vom Wagen hilft, kann ich zu Fuß gehen. Ich habe hier Verwandte, bei denen ich unterkommen werde. Wie lautet Euer wirklicher Name? Als Zeichen meiner Dankbarkeit werde ich eine Belohnung an die hiesige Templerkommandantur übersenden. Ihr könnt sie Euch abholen, indem Ihr Euren Namen angebt.«
    Sinclair schüttelte den Kopf.
    »Nein, Mylady, ich nehme kein Geld von Euch. Der Klang Eurer schottischen Stimme war mir Lohn genug, denn ich bin weit fort von zu Hause. Mein Name ist der, den Ihr gehört habt, Tam Sinclair, und Euer Geld brauche ich nicht. Geht in Frieden, und zwar schnell, denn William de Nogaret hat seine Spione überall. Und dankt Gott, dass er Euch mit diesen Augen gesegnet hat, denn sie haben Euch heute wahrscheinlich das Leben gerettet. Ewan, geht mit ihr. Tragt ihr den Beutel und sorgt dafür, dass ihr nichts zustößt, dann kommt zu unserem Treffpunkt.«
    Die Frau legte Tam die Hand auf den Unterarm. »Gott segne und beschütze Euch, Tam Sinclair. Mein Dank und der Dank meiner ganzen Familie ist Euch sicher.«
    Es lag ihm auf der Zunge zu fragen, wer diese Familie sein mochte, doch eine innere Stimme warnte ihn davor, und so nickte er nur. »Gott segne Euch auch, Mylady«, murmelte er.
    Ihrem Gesicht nach war sie eine schöne Frau, auch wenn sie ansonsten unter ihrer Wolldecke kaum zu erkennen war. Doch von ihrer Schönheit ganz abgesehen, dachte Tam, hatte die Frau Mut und einen wachen Verstand, und er war froh, dass er ihr den Gefallen getan hatte.
    Er sah ihr und Ewan nach, bis sie außer Sichtweite waren, dann manövrierte er sein Gespann mühselig von der Hauptdurchfahrt in eine verlassene Seitenstraße. Als
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