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Der schwarze Schleier

Der schwarze Schleier

Titel: Der schwarze Schleier
Autoren: Charles Dickens
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während sein Auge (oder träumte ich das nur?) voll funkelnder Bedeutung auf mich gerichtet war: »Die Druckfahnen.«
    Obwohl ich schon riechen konnte, dass meine Frackschöße vom Feuer angesengt wurden, hatte ich doch nichtdie Kraft, sie fortzuziehen. Der junge Mann legte das Päckchen in meine zögernden Hände und wiederholte – um ihm Gerechtigkeit anzutun – sehr höflich: »Die Druckfahnen. A. Y. R.«
    Und mit diesen Worten war er fort.
    A . Y. R .?
And You Remember
. 20 Meinte er das?
At Your Risk
. 21 Sollten mich diese Buchstaben daran erinnern?
Anticipate Your Retribution.
22 Standen sie für diese Warnung?
Out-dacious Youth Repent?
23 Aber nein, da fehlte zum Glück das O, denn der Vokal war ja hier ein A.
    Ich öffnete das Päckchen und stellte fest, dass es die oben stehenden Schriften enthielt, genauso gedruckt, wie der Leser (darf ich hinzufügen: der anspruchsvolle Leser?) sie eben durchgelesen hat. Vergebens flüsterte mir eine beruhigende Stimme zu:
A . Y. R ., All the Year Round
24 . Den Eindruck der Druckfahnen vermochte sie nicht auszulöschen. Den Beweis dafür, dass ich die Schriften verkauft hatte.
    Mein Elend wuchs täglich. Ich hatte zuvor das Risiko nicht bedacht, das ich eingegangen war, ebenso die herausfordernde Öffentlichkeit nicht, in die ich mich begab, und nun war alles vollendet und gedruckt. Das Geld aufgeben und den Handel kündigen und die Veröffentlichung verhindern, das konnte ich auch nicht. Meine Familie befand sich in widrigen Umständen, Weihnachten stand vor derTür, und einen Bruder im Spital und eine rheumakranke Schwester konnte ich auch nicht ganz vernachlässigen. Aber Krankheiten waren nicht die einzigen Umstände, die den Beutel eines alleinverdienenden Kellners schmälerten. Da war noch ein Bruder, dem es an Arbeit fehlte, und ein anderer Bruder, dem es an Geld fehlte, um einen Wechsel zu begleichen, und wieder ein anderer Bruder, der den Verstand verloren hatte, und ein anderer Bruder, der sich in New York verloren hatte (nicht ganz das Gleiche, wenn es auch manchem so scheint), und die hatten mich alle miteinander wirklich und wahrhaftig in höchste Verlegenheit gebracht, dass ich mich kaum noch drehen und wenden konnte. Es wurde schlimmer und schlimmer mit meinen Grübeleien, da ich ständig über »Die Druckfahnen« nachdachte und darüber, dass ich mich, wenn Weihnachten näher rückte und die Druckfahnen veröffentlicht würden, keine Stunde mehr in Sicherheit wiegen konnte, dass er mir nun jederzeit in der Kaffeestube entgegentreten und von mir im Licht des Tages und im Angesicht der Nation seine Rechte einfordern könnte.
    Die eindrucksvolle und unerwartete Katastrophe, auf die ich den Leser (darf ich hinzufügen: den hochintellektuellen Leser?) in meinen ersten Anmerkungen in Andeutungen hingewiesen haben, näherte sich nun rasch.
    Es war immer noch November, aber die letzten Echos der Guy Foxes 25 waren längst verklungen. Im Geschäft herrschte Flaute – einige Braten weniger als unser gewöhnlicher Standard, und der Weinkonsum natürlich ebenfallsentsprechend geringer. Es herrschte eine solche Flaute, dass die Zimmer Nummer 26, 27, 28 und 31, nachdem sie ihr Abendessen um sechs Uhr verspeist hatten und über ihren jeweiligen Bierseideln eingenickt waren, in ihren jeweiligen Hansoms 26 zu ihren jeweiligen Nachtzügen davonfuhren und unser Gasthaus leer zurückließen.
    Ich hatte mich mit der Abendzeitung an Tisch Nummer sechs gesetzt – der angenehm warm und allen anderen vorzuziehen ist – und war, in die fesselnden Themen des Tages versunken, in einen leichten Schlaf gefallen. Ich wurde durch den wohlbekannten Ruf »Herr Ober!« wieder ins wache Bewusstsein gerufen, und als ich mit »Sir!« antwortete, sah ich einen Herrn beim Tisch Nummer vier stehen. Der Leser (darf ich hinzufügen: der aufmerksame Leser?) möge bitte den Standort des Herrn bedenken,
beim Tisch Nummer vier!
    Der Mann hatte eine dieser neumodischen, nicht zusammenfaltbaren Taschen in der Hand (gegen die ich bin, weil ich nicht einsehen kann, warum man sich nicht zusammenfalten sollte, wenn es geht, wo doch alle Vorväter sich zusammengefaltet haben), und er sagte: »Ich möchte zu Abend speisen, Herr Ober. Und ich werde heute Nacht hier schlafen.«
    »Sehr wohl, Sir. Was hätten Sie gern zum Abendessen?«
    »Suppe, ein Stückchen Kabeljau, Austernsoße und den Braten.«
    »Danke, Sir.«
    Ich klingelte nach dem Zimmermädchen, und Mrs. Pratchett kam wie gewohnt
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