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Der Schwarze Orden

Der Schwarze Orden

Titel: Der Schwarze Orden
Autoren: Colin Forbes
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sie nicht quietschte. Weiterhin Stille.
    Die Angeln waren gut geölt. Sie öffnete die Tür so weit, bis sie gegen die Wand dahinter stieß. Vor ihr tat sich ein großes Wohn- und Eßzimmer auf. Den Mittelpunkt bildete ein massiver Barocktisch mit sechs Holzstühlen. Dahinter befand sich ein hoher, runder Kachelofen. Der Steinplattenboden war zum Teil mit einem Perserteppich bedeckt. Paula ging leise über die Steinplatten, erreichte den Teppich und umrundete den Tisch.
    Rechts von ihr stand eine Rundbogentür halb offen. Paula blieb stehen und lauschte, ob irgend etwas zu hören war. Nichts. Sie hielt die Browning jetzt mit beiden Händen und bewegte sich, noch immer angespannt lauschend, auf die Tür zu. Nichts. Als ob niemand hier lebte. Zur Sicherheit blickte sie sich an der Tür noch einmal kurz um.
    Und dann, als sie in den Raum dahinter sah, erstarrte sie.
    Norbert Engel saß hinter einem wuchtigen alten Schreibtisch. Die von Bücherregalen gesäumten Wände deuteten darauf hin, daß es sich um sein Arbeitszimmer handelte.
    Von Paula hatte inzwischen eine eisige Ruhe Besitz ergriffen. Sie sah hinter die halb offene Tür, ob ihr dort jemand auflauerte. Niemand. Als sie sich langsam auf den Schreibtisch zu bewegte, schössen ihre Blicke durch den ganzen Raum, aber sie kehrten immer wieder zu Engel zurück.
    Engel saß auf einem Drehstuhl aus Leder. Sein Körper war auf den Schreibtisch gesunken, seine rechte Hand lag nicht weit von einer 7.65 mm-Luger. Sein Hinterkopf war nur noch eine scheußliche Masse aus Blut und Knochen.
    Paula stellte sich hinter ihn, sah, daß er die stämmigen Beine unter dem Schreibtisch weit von sich gestreckt hatte. Er trug einen dunkelblauen Anzug und ein weißes Hemd, dessen Brust voll Blut war. Am Lauf der Luger war ein Schalldämpfer befestigt.
    Das erklärte, warum sie unten im Hof den Schuß nicht gehört hatte.
    Es erübrigte sich, ihm den Puls zu fühlen. Sie steckte die Browning in ihren Umhängebeutel zurück, nahm eine kleine Kamera heraus und machte aus verschiedenen Blickwinkeln vier Blitzlichtaufnahmen. Nachdem sie die Kamera wieder weggesteckt hatte, zog sie sich ein Paar Gummihandschuhe an. Rechts von Engels zusammengesunkenem Körper stand ein Blatt Papier aus der obersten Schreibtischschublade hervor. Sie öffnete die Schublade ein Stück und nahm das Blatt heraus. Es trug den Briefkopf des
Institut de la Defense
und enthielt eine Liste mit Namen, von denen die ersten sieben mit Tinte durchgestrichen waren. Alle waren ermordet worden. Ein Name ließ sie stutzen, der Name Tweed, ihr Chef im SIS-Hauptquartier in der Park Crescent. Mit einem letzten Blick auf Engel berührte sie ihn an der linken Hand. Die Totenstarre war noch nicht eingetreten. Lautlos formte sie mit den Lippen die Worte:
    »Nun sind Sie also Nummer acht geworden. Von wegen Selbstmord…«
    Bevor sie die Wohnung verließ, entfernte sie mit einem Taschentuch ihre Fingerabdrücke von der Eingangstür. Anschließend stieg sie die lange, unheimliche Treppe hinab.
    Während sie sich von Stockwerk zu Stockwerk vorantastete, schienen sich die Wände um sie herum enger zusammenzuziehen. Noch immer wirkte das Haus wie ausgestorben. Gespenstisch. Wie ein Mausoleum. Die Browning schußbereit von sich gestreckt, blieb Paula mehrmals stehen, um zu lauschen. Aber außer dieser schaurigen Grabesstille war nichts zu hören.
    Unten angekommen ging sie rasch auf die kleine Tür zu, die auf die Annagasse hinausführte. Sie hatte die Handschuhe inzwischen wieder ausgezogen und verzichtete darauf, auch diese Tür von Fingerabdrücken zu säubern – sie konnte es nicht erwarten, unter Menschen zu kommen.
    Die Nacht war heiß und schwül. Die Straße schien verlassen. Doch warum standen ihre Nerven noch immer unter Hochspannung? Als sie sich auf halbem Weg zur Kärntnerstraße, der Hauptgeschäftsstraße Wiens, umblickte, sah sie einen Mann in den Hof verschwinden, aus dem sie gerade gekommen war. Außerdem hatte sich im Dunkeln etwas bewegt. Sie konnte sich nur mit Mühe beherrschen, nicht loszurennen, aber sie beschleunigte ihren Gang. An der Einmündung in die Kärtnerstraße drehte sie sich wieder kurz um. Ein kleiner, stämmiger Mann mit Windjacke und Baskenmütze eilte auf sie zu.
    Mit einem etwas verfrühten Seufzer der Erleichterung bog Paula in die Fußgängerzone der Kärntnerstraße. Wäre sie direkt in ihr Hotel zurückgekehrt, hätten ihre Verfolger gewußt, wo sie in Wien wohnte. Deshalb wandte sie sich nach
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