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Der Schutzengel

Der Schutzengel

Titel: Der Schutzengel
Autoren: Dean R. Koontz
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liebevoll an, daß Bob unbehaglich dabei wurde. Aber er benahm sich ganz anders als der Kerl, der sie in den Lagerraum hatte schleppen wollen. Aus seinem Gesichtsausdruck sprach zärtliche Zuneigung. Und als er jetzt ihre Wange berührte, schimmerten überraschenderweise Tränen in seinen Augen. Er richtete sich blinzelnd auf. »Stecken Sie das Geld weg, Bob. Denken Sie daran, daß ich damit geflüchtet bin.«
    Bob merkte erst jetzt, daß er das Bündel Geldscheine noch immer in der Hand hielt. Er stopfte es in die Hosentasche, und seine lose Schürze verdeckte die Ausbuchtung.
    Der Unbekannte schloß die Ladentür auf und ließ das Rollo nach oben gleiten. »Passen Sie gut auf sie auf, Bob. Sie ist was Besonderes.« Dann lief er in den Regen hinaus, ohne die Tür hinter sich zu schließen, und stieg in den Buick. Die Reifen quietschten, als er anfuhr.
    Das Radio war noch immer eingeschaltet, und Bob nahm es zum ersten Mal wieder wahr, seit »The End of the World« erklungen und der Junkie erschossen worden war. Jetzt sang Shelley Fabares »Johnny Angel«.
    Plötzlich hörte er auch den Regen wieder – nicht nur als dumpf brausendes Hintergrundgeräusch, sondern wie er gegen die Schaufenster und auf das Dach der Wohnung über dem Laden trommelte. Trotz des durch die offene Tür kommenden Schwalls frischer Luft war der Blut- und Uringestank plötzlich viel schlimmer als noch im Augenblick zuvor, und Bob wurde ebenso plötzlich klar – als sei er aus einer Trance des Schrekkens wieder zu vollem Bewußtsein erwacht –, in welcher schrecklichen Gefahr seine kostbare Laura geschwebt hatte. Er schloß sie in die Arme, hob sie hoch, wiederholte ihren Namen und strich ihr übers Haar. Er vergrub sein Gesicht an ihrer Schulter, roch den süßen Duft ihrer Haut, spürte den Puls an ihrem Hals und dankte Gott dafür, daß sie noch lebte.
    »Ich liebe dich, Laura.«
    »Ich liebe dich auch, Daddy. Ich liebe dich wegen Sir Keith Kröterich und wegen einer Million anderer Gründe. Aber wir müssen jetzt die Polizei anrufen.«
    »Ja, natürlich«, sagte er und setzte sie widerstrebend ab. Seine Augen standen voller Tränen. Er war so entnervt, daß er nicht mehr wußte, wo das Telefon stand.
    Laura hatte bereits den Hörer abgenommen. Sie hielt ihn ihrem Vater hin. »Ich kann sie auch anrufen, Daddy. Die Nummer steht hier auf der Wählscheibe. Soll ich sie anrufen?«
    »Nein, das mach’ ich selbst, Baby.« Er wischte sich die Tränen aus den Augen und setzte sich auf den alten Holzhocker hinter der Registrierkasse.
    Laura legte ihm eine Hand auf den Arm, als wisse sie, daß er ihre Nähe brauchte.
    Janet war innerlich sehr stark gewesen. Aber Lauras Kraft und Selbstbeherrschung waren für ihr Alter ungewöhnlich, und Bob Shane wußte nicht recht, woher sie diese Kräfte hatte. Vielleicht war sie als Halbwaise selbständiger als andere in ihrem Alter …
    »Daddy?« Laura tippte mit einem Finger aufs Telefon. »Vergiß die Polizei nicht!«
    »Ja, richtig«, sagte Bob. Er bemühte sich, den Todesgestank zu ignorieren, der den Laden erfüllte, und wählte die Notrufnummer der Polizei.
    Kokoschka saß gegenüber von Bob Shanes kleinem Laden in einem Auto und betastete nachdenklich den Schmiß auf seiner Backe.
    Es regnete nicht mehr. Die Polizei war wieder weggefahren. Mit Einbruch der Dunkelheit waren Neonreklamen und Straßenlampen aufgeflammt, aber der Asphalt glänzte trotz dieser Beleuchtung schwarz, als sauge er das Licht auf, anstatt es zu reflektieren.
    Kokoschka war zugleich mit Stefan, dem blonden, blauäugigen Verräter, in dieser Straße angekommen. Er hatte den Schuß gehört, Stefan mit dem Auto des Toten flüchten gesehen, sich beim Eintreffen der Polizei unter die Neugierigen gemischt und so ziemlich alles erfahren, was im Laden passiert war.
    Er ließ sich natürlich nicht von Bob Shanes lächerlicher Story täuschen, die Stefan als zweiten Räuber hinstellte. Stefan war kein Gangster, sondern ein selbsternannter Beschützer, der natürlich Interesse daran hatte, daß seine wahre Identität geheim blieb.
    Laura war erneut gerettet worden.
    Aber weshalb?
    Kokoschka versuchte sich vorzustellen, welche Rolle das Mädchen in den Plänen des Verräters spielen könnte, aber er kam zu keinem Ergebnis. Er wußte, es wäre zwecklos, die Kleine zu verhören, denn sie war zu jung, als daß es Sinn gehabt hätte, sie einzuweihen. Der Grund für ihre Rettung war ihr wohl ebenso rätselhaft wie Kokoschka.
    Auch ihr Vater wußte
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