Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schuß im Nachtklub

Der Schuß im Nachtklub

Titel: Der Schuß im Nachtklub
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
groß und blond und
hatte dunkle Augen — so dunkel wie die Mitternacht. Sie hatte eine volle Figur,
und das schwarze, trägerlose Kleid betonte ihre Kurven nachdrücklich. Die
Pailletten ihres Kleides glitzerten im Scheinwerferlicht.
    Sie war ein gutaussehendes
Mädchen in einer Welt, die von gutaussehenden Mädchen wimmelte — bis zu dem
Augenblick, in dem sie ihre behandschuhte Hand ausstreckte und nach dem
Mikrofon griff. Und zu singen begann.
    Sobald sie sang, verschmolzen
in ihr alle Frauen, die man jemals gekannt hatte und die man jemals
kennenzulernen hoffte. Sie traf einen bis ins Mark.
    Sie hatte Stil, Persönlichkeit
und Tiefe. Ihre Sprachmodulation war perfekt. Was man auch immer sagen wollte,
wie sehr man sie auch beschreiben, erklären und wortreich zu analysieren
versuchte — ihre Stimme durchdrang alles, wie von selbst, und brachte das
Innerste in einem zum Schmelzen.
    Sie sang: Reckless Blues und ließ dann Bewitched , Bothered and Bewildered folgen. Aber mit The Lady is a Tramp brachte
sie einen zur Strecke.
    Als der Beifall erstarb und das
Trio sich auf China Boy warf, sah Annabelle mich erwartungsvoll an.
    »Wie fanden Sie sie?« fragte
sie erwartungsvoll.
    »Wenn sie beim Singen ’ne
Strip- tease -Nummer abgezogen hätte, würde ich sogar
’n Gedeck hier zahlen.«
    Eine Gestalt kam herein, lehnte
sich an unseren Tisch und sah Annabelle bewundernd an.
    Er war so um die Dreißig und
fett. Seine Sportjacke war so weit geschnitten, daß außer ihm noch ein paar
kleine Tänzerinnen darin Schutz und Zuflucht hätten finden können, und er hatte
sich seit ein paar Tagen nicht mehr rasiert.
    »Mann«, stieß er bewundernd
hervor, »dir werd ’ ich’s mal zeigen, du Klapskopf,
du!«
    »Hau ab!« sagte ich zu ihm.
    Er übersah mich völlig. »Bin so
richtig in Fahrt heute, meine Taube. Wollen wir nicht einen aufs Parkett
legen?«
    »Verschwinde!« sagte Annabelle
mit Schärfe.
    »Na, denn vielleicht ’n
andermal, mein Hühnchen«, sagte er und richtete sich mühsam auf. » Schläf’ste mit der Brille auf, wie? Schon gut, dann zieh
ich eben weiter!«
    Ich blickte ihm nach, wie er
unsicher zwischen den Tischen auf eine Tür am anderen Ende des Kellers
zuwankte. »Was war denn das für ’ne Manier zu quatschen?« fragte Annabelle.
    »Jazzslang, Süße«, erklärte
ich. »Total besoffen, noch wahrscheinlicher irgendso ein Rauschgiftzeug.«
    »Ergab nicht viel Sinn«, meinte
sie.
    »Kommt drauf an, auf welcher
Welle du gerade bist«, erwiderte ich. »Dieser Laden überwuchert einen
irgendwie, finden Sie nicht — wie so ’n Pilz.«
    »Lohnt sich aber«, sagte sie
und hob ihr Kinn ein wenig. »Wo kriegt man schon so ’n Jazz zu hören?«
    »Darauf habe ich schon mal
geantwortet«, sagte ich mit erheblicher Selbstbeherrschung. »In meiner...«
    »Mich schmeißt er um«, sagte
sie. »Ich kann nicht verstehen, wieso er Sie nicht umschmeißt, Al. Ich hätte
niemals geglaubt, Sie wären so ein sturer Bock.«
    Ich betrachtete ihre
schwellenden Kurven lange und eingehend. »So was würde ich niemals von Ihnen
sagen, Liebling«, bemerkte ich.
    »Habe es sozusagen nur sympolisch gemeint«, erklärte sie.
    »Ich auch«, stimmte ich bei.
    »Und dann wundern Sie sich
immer, warum die Mädchen Angst haben, mit Ihnen in Ihre Wohnung zu gehen!«
sagte sie. »Sie sind der einzige Mann, bei dem ich direkt fühle, wie er mich
ansieht.«
    »Meine Wohnung bietet
einschmeichelnde Musik und guten Scotch«, erwiderte ich ein wenig mutlos.
    »Und den gleichen alten
hoffnungslosen Kampf gegen den Verführer, von dem die armen Mädchen in Wahre Geschichten reuevoll berichten«, sagte
sie. »Nein, danket, Al. Da genieße ich doch lieber meinen Jazz heiß und meine
Männer kühl.«
    Der ungekämmte Kellner tauchte
erneut an meiner Seite auf. »Wollen Se denn die ganze
Nacht bei einem Glas sitzen bleiben?« fragte er.
    »Sie können uns noch eins
bringen«, antwortete ich. »Es ist schließlich egal, auf welche Weise man ums
Leben kommt.«
    Er nahm die leeren Gläser vom
Tisch und wanderte von dannen.
    »Ist Ihnen klar, Annabelle
Jackson, daß dies schon der zweite Dollar ist, den ich heute
nacht an Sie verschwende?« sagte ich. »Und Sie wollen nicht einmal einen
kleinen scheuen Blick in meine Wohnung werfen?«
    »Haben Sie das Geld für das
Taxi vergessen?« fragte sie honigsüß. »Oder hat Sie der Fahrer für die
Sondervorstellung hinten im Wagen bezahlt?«
    Ich wollte gerade dementieren,
als das Trio wieder zu spielen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher