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Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Schock: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Marc Raabe
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Psychologie von Tütensuppen war viel zu lange sein Lebensinhalt gewesen.
    Als Greg und Katy verkündet hatten, dass sie nach Beaulieu-sur-Mer wollten, hatte Jan gehofft, dass Laura blieb. Die Erinnerung an letzte Nacht ließ sein Herz immer noch schneller schlagen. Doch Laura litt offenbar ebenfalls unter dem Hütten-Koller, war in ihre Gummistiefel gestiegen und hatte mit Greg und Katy das Haus verlassen.
    Jan starrte durch die Scheibe. Sein Spiegelbild trat deutlich auf dem Glas hervor; das erschöpfte Gesicht eines 34-jährigen Einzelgängers. Seine braunen Augen waren schwarze Punkte; seine dunklen Haare standen wild von seinem Kopf ab, so wie ihm die Gedanken durchs Hirn flogen. Und dann war da noch das Feuermal, das sich wie eine rötliche Insel von seiner linken Schläfe über die Wange bis hinab zum Mundwinkel zog. Nach der Sache mit Theo war es ihm immer vorgekommen, als hätte jemand da oben vorgehabt, ihn schon bei seiner Geburt zu brandmarken. Seht her, dieser Junge zieht das Unglück an. Seid vorsichtig. Meidet ihn.
    Als das Telefon klingelte, griff Jan einfach nach rechts, drückte blind die grüne Taste und hob das Gerät ans Ohr. Da sprudelte ihm schon ihre Stimme entgegen.
    »Hey. Katy hier. Sag mal, ist Laura bei dir?«
    »Was?«, fragte Jan.
    »Spreche ich Spanisch? Ob Laura bei dir ist.«
    Jan runzelte die Stirn. »Also eben hat sie noch neben dir im Auto gesessen, aber wart mal«, meinte Jan, »ich seh mal gerade nach, vielleicht steht sie hinter der Gardine hier.« Er wedelte lautstark mit dem Stoff. »Ups. Nein. Da ist sie nicht.«
    »Haha. Sehr witzig, Bruderherz.«
    »Garbage in, garbage out«, sagte Jan lakonisch.
    »Hä?«
    Er seufzte. »Na, wenn die Frage Müll ist, dann ist die Antwort eben auch Müll.«
    »Kannst du mal aus deiner destruktiven Stimmung aussteigen und mir bitte helfen?«
    »Ich bin nicht destruktiv«, sagte Jan, »mir geht’s nur nicht besonders gut.«
    »Kannst du mir jetzt bitte einfach sagen, ob Laura bei dir ist. Oder ob sie sich bei dir gemeldet hat.«
    »Ist Laura denn weg?«
    »Wie vom Erdboden verschluckt. Sonst würde ich ja wohl kaum fragen.«
    »Wo seid ihr denn gerade?«
    »Beim Supermarkt.«
    »Bei welchem Supermarkt?«
    Katy schnaubte. »Dem Hypermarché. Am Ortseingang von Beaulieu. Wo denn sonst. Könntest du mir jetzt einfach mal meine Frage beantworten?«
    »Du hast dir deine Frage gerade selbst beantwortet.«
    Katy stöhnte in den Hörer.
    »Katy, bitte! Ihr seid vor ’ner halben Stunde losgefahren. Bis da unten braucht man mit dem Auto zehn Minuten. Den Berg hoch zu Fuß braucht man erheblich länger. Wenn Laura also nicht schon auf der Fahrt aus dem Auto gesprungen ist, weil sie Gregs Gequatsche nicht mehr ertragen hat, dann kann sie noch gar nicht hier sein.«
    »Herzlichen Dank für den Kurzlehrgang in Sachen Logik! Ich mach mir einfach Sorgen, okay? Laura ist weg, und wir haben keine Ahnung, wieso. Also, wenn sie sich bei dir meldet oder bei dir auftaucht, dann sag wenigstens Bescheid«, sagte Katy bissig und legte abrupt auf.
    Jan seufzte, als es in der Leitung knackte. Sofort tat ihm leid, dass er es mal wieder nicht hatte lassen können. Es war immer das Gleiche. Wenn er mit Katy sprach, saßen tausend kleine Teufel in seinem Gehirn, und er verfiel in Verhaltensmuster, die eher zu einem bockigen Teenager passten als zu einem erwachsenen Mann.
    Er starrte hinaus in den Regen. Die Felskante, hinter der es steil abwärts zum Meer ging, war nur noch ein unscharfer gezackter Schatten in der Dunkelheit. Er dachte an Laura. Ihr Gesicht sah so ganz anders aus als damals in der Schule. Voller. Erwachsener. Nicht nur weil sie älter geworden war – da war noch etwas anderes. Etwas Verschlossenes, das ihn faszinierte, oder besser gesagt, ihn magisch anzog.
    Schon damals in der Schule, mit 14, hatte Lauras Nähe ihn immer in Not gebracht. Sein Kopf wurde heiß, und er wusste nur zu gut, dass auch sein Feuermal dann noch deutlicher hervortrat. Dennoch suchte er immer wieder ihre Nähe. Nachts hatte er dann so intensive Träume, dass er tags darauf nur noch verlegener beiseitesah, wenn sich ihre Blicke trafen. Er wusste nicht, wie er mit all diesen Gefühlen fertig werden sollte, er kam sich dumm vor und irgendwie schuldig, als ob das alles nicht normal sei, was ihn da überwältigte.
    Dann war Laura plötzlich weg gewesen, von einem Tag auf den anderen. Später erfuhr er, dass sie die Schule gewechselt hatte, aus einem Grund, den er bis heute nicht
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