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Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)

Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)
Autoren: Martin Conrath
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ihr hierzu sagt.«
    Sein Gesicht verschwand, einen Moment blieb der Bildschirm dunkel, dann füllte ihn ein bizarres Linienmuster aus. Es schien das Bild eines Künstlers zu sein, der die Realität verlassen und sich ganz in die Abstraktion begeben hatte. Aber die Linien waren nicht mit einem Pinsel auf Leinwand aufgetragen, sondern mit einem scharfen Gegenstand in die Haut eines Menschen eingeritzt worden.
    Fran erkannte sofort, warum Neusen sich an sie gewandt hatte. So irre die Linien schienen, es gab doch ein Muster darin. Ihr Puls beschleunigte sich. Das war die Chance, endlich mehr Beachtung und damit mehr Geld für ihre Arbeit zu bekommen. Sie brauchte nur zu sagen, dass es sich bei den Schnitten möglicherweise, mit Betonung auf möglicherweise, um satanische Symbole handelte. Sie verschob die Entscheidung.
    »Also Kollegen, was sehen wir hier?«
    Bruno meldete sich, Fran nickte ihm zu.
    »Kollege Neusen, sind die Verletzungen postmortal zugefügt worden?«
    Aus dem Nichts antwortete Neusen mit einem kurzen »Ja«, das sich anhörte, als hätte er die Frage erwartet.
    Bruno fuhr fort. »Sie sind unterschiedlich tief, unterschiedlich lang, aber alle haben perfekt glatte Wundränder. Ein scharfes Tatwerkzeug. Ein Rasiermesser, ein Skalpell, ein sehr gut geschliffenes Opinel oder Ähnliches. Ein Ausbeinmesser kommt natürlich auch infrage, ebenso wie ein Teppichmesser oder ein Papiercutter. Eben alles, was richtig scharf ist, aber keine lange Klinge hat. Eine Hiebwaffe wie Machete, Schwert oder so würde ich erst mal ausschließen. Wie immer: Um Genaues sagen zu können, müsste ich den Bericht der Gerichtsmedizin haben oder die Leiche auf dem Tisch. Ach ja, es ist eine Frau.«
    Fran blickte in die Runde. Alle begutachteten die Verletzungen, dachten nach oder ließen ihren Assoziationen freien Lauf. Sie merkte, dass Günther etwas auf dem Herzen hatte, und zeigte auf ihn.
    Er hob den Kopf, rieb sich das Kinn. »Also erst mal würde ich gerne klären, was wir hier machen, Fran. Du hast uns nur erzählt, dass Kollege Neusen unsere Hilfe braucht. Als Nächstes sehen wir diese Verletzungen. Wir wissen nichts über die Tatumstände, das Opfer und so weiter. Kollege Neusen, würdest du uns einweihen?«
    Aus dem Off meldete sich Neusen sofort. »Ich wäre euch sehr dankbar, wenn ihr ganz spontan eure Eindrücke formulieren würdet, so wie der Kollege Rheinstahl das getan hat. Der Fall ist sehr komplex, sehr unübersichtlich, die Zeit ist knapp, die MOKO ist verunsichert, wir wissen nicht, in welche Richtung wir verstärkt weiterermitteln sollen.«
    »Okay«, sagte Günther und zog die Nase hoch. »Alles klar. Kein Zweifel: Wut! Abgrundtiefe Wut. Auf sich selbst oder das Opfer. Der Täter oder die Täterin wollte das Opfer bestrafen, auch nach dessen Tod. Übertötung. Blutrausch. Da ist was aus dem Ruder gelaufen. Und auch für mich gilt: Die Lottozahlen sind wie immer ohne Gewähr.«
    Fran wollte von allen eine Meinung hören, denn das war die Grundlage der Operativen Fallanalyse: Das Problem von möglichst vielen Seiten beleuchten, betrachten, bewerten und einordnen, herausfinden, warum sich der Täter zu was entschieden hat, tagelang die Akten wälzen, alles in Tausende Schnipsel zerlegen, dann wieder zusammenpuzzlen und wirklich allen Thesen nachgehen, so abstrus sie erscheinen mochten.
    Sie deutete auf Christine, die heute in einem uringelben Kostüm zur Arbeit gekommen war, zu dem sie plumpe Gesundheitsschuhe trug. Fran hatte einige Zeit gebraucht, um den Modegeschmack von Christine und ihre Fähigkeiten nicht gleichzusetzen. Sie war vor vier Wochen achtunddreißig geworden, ähnelte vom Gesicht her Kate Winslet.
    »Ich kann mich Günther nur anschließen. Purer Hass. Tödliche Wut. Allerdings kann ich mir auch vorstellen, dass der Täter, und ich bin mir sicher, es war ein Mann, dass also der Täter auch aus Frustration über ein persönliches Versagen, ein Unglück oder Ähnliches die Tat begangen hat. Anfangsthesen eben.« Sie zuckte mit den Achseln. »Wir haben keinerlei vernünftige Datenbasis.«
    Martina Schwartz seufzte. »Ich sehe keine anderen Ansätze. Und was meinst du, Fran?«
    Fran wandte sich dem Bild zu. Der Form des Rückens nach zu urteilen, war das Opfer eine Frau, wie Bruno bereits erkannt hatte. Die Schnitte verliefen vom Halsansatz bis zum Steißbein. Der längste maß ungefähr zehn bis zwölf Zentimeter, der kürzeste ein bis zwei. Diese Schnitte waren durch eine Bewegung entstanden, bei
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