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Der Schmerz der Engel: Roman (German Edition)

Der Schmerz der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Der Schmerz der Engel: Roman (German Edition)
Autoren: Jón Kalman Stefánsson
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nicht trauen, das steht fest. Kerle wie ich sind vom Teufel gebissen, wir bekommen uns selbst nicht in den Griff.
    Der Junge, den es gerade fast umbläst, klammert sich an Jens fest: Vom Teufel besessen? Du stehst fest zu Halla und deinem Vater, das ist doch was. Das muss doch auch zählen.
    Ihr Mann hat gesoffen wie ein Loch, antwortet Jens. Der Alkohol hat ihn völlig verändert, er hat ihn zum Dreckschwein gemacht.
    Manchmal glaube ich, der Teufel hat in jede einzelne Bierflasche auf der Welt gespuckt, pflichtet ihm Hjalti bei.
    Mag sein, sagt Jens. Ich enttäusche und hintergehe die Menschen, sobald ich getrunken habe.
    Hjalti: Hat sie dich schon betrunken erlebt?
    Jens: Das braucht sie nicht. Sie durchschaut mich. Und deshalb vertraut sie mir nicht. Nicht mehr, als ich mir selber traue. Es ist nichts so widerwärtig, wie seine Frau zu schlagen. Einem Kerl, der das tut, sollte man beide Hände abschlagen. Aber wer weiß, wozu ich nach fünf oder zehn Jahren imstande bin? Kann ich meinen eigenen Händen trauen?
    Er blickt auf seine Hände, als würde er eine Antwort von ihnen erwarten, aber sie stecken in dicken Fäustlingen und verweigern die Auskunft.
    Hjalti sagt: Wir stecken hier im Mistwetter, die reinste Teufelsküche, und es ist noch nicht sicher, ob wir alle heil unten ankommen. Drei Lebende gegen eine Tote, das scheint mir ein viel zu gutes Verhältnis, um wahr zu sein. Aber du, mein Freund, du musst lebendig unten ankommen und den Sturm in dir selbst besiegen, das ist dein eigentlicher Kampf, da geht es für dich um Leben und Tod. Ich glaube, deine Chancen stehen fünfzig zu fünfzig. Tust du nichts, hast du überhaupt keine Chance auf Sieg. Wenn du nicht handelst, verrätst du alle, die dir etwas bedeuten, und mit Sicherheit auch das Leben selbst, obwohl ich davon nichts verstehe. Du gehörst zu denen, die Glück haben. Es ruht vielleicht nicht gerade ein Segen auf dir, nein, bestimmt nicht, aber du hast Glück, das Schicksal bietet dir alle Möglichkeiten. Und deswegen musst du durchkommen und zu deiner Salvör gehen und beim Himmel schwören, dass du auf Leben und Tod mit dir ringen wirst, um gut und verlässlich zu werden. Und dann sollst du sie fragen: Willst du mein Herz?
    Jens: Willst du mein Herz?
    Genau, bekräftigt Hjalti.
    Das hört sich gut an, meint der Junge.
    So redet doch kein Mensch, sagt Jens.
    Doch, doch, erwidert Hjalti, wenn es um alles geht, reden wir so, glaub mir! Und sie wird Ja sagen. Ich weiß es. Sie wartet nur darauf, dass du endlich dein verstocktes Maul aufmachst und es so weit aufreißt, dass sie endlich sehen kann, wie dein verdammtes Herz in Wahrheit aussieht, und dann sagt sie Ja. Denn dann weiß sie, dass du den Mumm hast, es mit dir selbst aufzunehmen.
    Jens blickt vom Schnee auf und lächelt, natürlich nur verhalten. Er schwankt im Wind. Vielleicht hast du recht. Du weißt ganz gut Bescheid. Aber was ist mit dieser Bóthildur? Wartet die nicht in Sléttueyri auf dich?
    Es ist nicht immer möglich, seinen Träumen zu folgen, sagt Hjalti.
    Warum hilfst du dir selbst nicht genau so, wie du Jens hilfst?, fragt der Junge.
    Darauf Hjalti: Man hilft nur denen, die es verdienen.

XV
     
    Bessert sich das Wetter nicht ein klein wenig? Sieht es nicht danach aus, als ob irgendwer, die Welt, Gott, etwas Übermächtiges, Erbarmen mit diesen drei Männern habe, und sei es vielleicht nur, weil die drei sich als drei einander fremde, distanzierte Menschen hingesetzt haben und als einander wesentlich nähergekommene wieder aufstehen? Weil etwas Schöneres und Besseres als Wörter sie miteinander verbunden hat? Hat es wirklich nachgelassen, ist die Mordlust aus dem Sturm gewichen, oder ist es einfach nur leichter, als Einheit zu überleben und nicht als drei Einzelkämpfer? Sie gehen weiter. Kein Zaudern, kein halbherziges Herummachen, sie gehen einfach weiter und bieten allem die Stirn, dem Himmel ebenso wie der Nacht, denn es ist Nacht, die zweite Nacht in den Bergen.
    Und dann ist auch die überstanden.
    Ich kenne mich jetzt aus, ruft Hjalti. Da ist der nächste Tag längst da, hoher Tag. Wir erreichen die verdammte Landzunge bald, dieses Eyri! Vielleicht noch eine Stunde, höchstens zwei, dann sehen wir hinab in den Fjord, zumindest wenn diese Scheißwelt noch einen Funken Sinn und Verstand hat!
    Aber vielleicht hat sie den nicht. Der Sturm legt wieder zu, und bald toben die Elemente wie endgültig entfesselt. Sie haben auf dieser Reise wahrlich erlebt, was Sturm heißt, aber das
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