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Der Schiffsjunge der Santa Maria

Der Schiffsjunge der Santa Maria

Titel: Der Schiffsjunge der Santa Maria
Autoren: Frank Schwieger
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plötzlich, wie er, noch recht wacklig und blass, über die Leiter auf das Achterdeck kletterte. Luis hatte eine Pause, er saß im Schneidersitz auf den Planken und war gerade damit beschäftigt, einige Angelhaken an langen Schnüren zu befestigen, als Ramon sich drohend vor ihm aufbaute.
    »Das wirst du mir büßen«, knurrte er.
    Luis schaute zu Ramon auf und lächelte verlegen. »Ich hab dir doch nichts getan.«
    »Du hast mir meinen Posten weggenommen. Don Christoph hat mich zum Gehilfen des Schiffskochs gemacht!« Ramon stemmte wütend die Hände in die Hüften.
    »Tut mir leid«, sagte Luis. »Aber so schlimm ist das doch nicht. Immerhin darfst du weiter mitfahren. Geht’s dir denn jetzt besser?«
    »Das geht dich einen feuchten Möwenschiss an«,fauchte Ramon. »Eines kann ich dir versprechen«, er richtete drohend den Zeigefinger auf Luis, »ob wir Indien erreichen oder nicht:
Du
wirst dort nicht ankommen. Jedenfalls nicht   …«
    »RAMON!«
    Das war der Koch. Er stand neben seiner Feuerkiste und brüllte aus Leibeskräften.
    »Ramon, wo bleibst du? Komm sofort her! Der Topf muss geschrubbt werden!«
    Ramon spuckte Luis vor die Füße. »Das wirst du noch bereuen«, sagte er und funkelte Luis böse an, als er die Leiter zum Mitteldeck hinunterstieg.
    Na prima, dachte Luis. Jetzt sind es schon zwei, die nicht gerade gut auf mich zu sprechen sind, Polifemo und Ramon. Ich werde wohl   …
    »Wasse du gucken so traurig?«
    Jacomo riss Luis aus seinen trüben Gedanken. Er stand auf der Leiter zum Achterdeck und lächelte Luis an.
    »Wir habe eine Tag wunderschon.« Er zeigte auf den wolkenlosen Himmel. »Und wir fahre nach Indien. Dir sein Leber gelaufen über Laus?«
    Jetzt musste auch Luis lächeln. »Nee, nur der blöde Ramon. Ich glaube, der würde mich am liebsten mit diesen Angelschnüren erwürgen.«

    »Du musse habe nix Sorge!«, sagte Jacomo und setzte sich zu Luis auf die Planken. »Ramon habe heiße Blut und große Klappe, aber er isse keine bose Junge. Er isse jetzt Helfer von Koch, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Luis, »meinetwegen. Er nimmt mir das ziemlich übel. Und dann noch dieser Polifemo. Der würde mich am liebsten auffressen, so wie der mich immer anstarrt.«
    »Polifemo isse komisch Kauz«, sagte Jacomo und legte seine Hand auf Luis’ Schulter. »Er nicht viel rede mit andere Matrosen. Aber ich glaube, er habe große Herz in breite Brust. Du musse habe keine Angst vor ihn.«
    »Ich hoffe, du hast recht«, sagte Luis und wandte sich wieder seinen Angelschnüren zu.
     
    Drei Tage später erreichten sie Gran Canaria, eine der Kanarischen Inseln. Es war das letzte Fleckchen Erde vor ihrer Reise über den unbekannten Ozean. Luis hatte sich, soweit das auf dem kleinen Schiff möglich war, sowohl von Ramon als auch von Polifemo ferngehalten. Keiner von beiden hatte ihm etwas Böses getan   – wenn man von den vielen Schimpfwörtern und Drohungen absah, die Ramon Luis zugeraunt hatte, sobald er an ihm vorbeiging.Doch beide, davon war Luis fest überzeugt, schienen nur darauf zu warten, den neuen Schiffsjungen der Santa Maria den Fischen zum Fraß vorwerfen zu können.
    Der Aufenthalt auf den Kanarischen Inseln dauerte vier Wochen, viel länger als geplant. Die Pinta hatte Probleme mit dem Steuerruder und musste repariert werden. Sie war erst zwölf Tage nach der Santa Maria und der Niña auf Gran Canaria angekommen.
    Kolumbus nutzte die Wartezeit, um die Schiffe ausbessern und weitere Vorräte besorgen zu lassen. Luis machte sich nützlich, wo er konnte   – sehr zur Freude des Admirals und der Matrosen.
     
    In den frühen Morgenstunden des 6.   September 1492 war es dann endlich so weit: Alle drei Schiffe waren ausgebessert, alle Laderäume bis unter das Deck gefüllt.
    Luis stand neben Jacomo an der Reling. Eine letzte Kiste wurde von einem Matrosen über eine lange Planke an Bord getragen. Zwei Hafenarbeiter wollten die Planke eben an Land ziehen und die Vertäuung des Schiffes lösen, als eine kleine Kutsche in den Hafen preschte. Der Kutscher brachte das schnaubendePferd direkt vor der Planke zum Stehen, sprang von seinem Kutschbock, hievte unter großer Anstrengung eine schwere Kiste herunter und stellte sie auf den Boden. Dann nahm er die Mütze ab und rief in Richtung Kolumbus: »Admiral, dies ist ein Geschenk der schönen Beatriz, der Gouverneurin dieser Insel. Sie wünscht dir und deinen Männern eine gute Reise.«
    Dann schwang der Mann sich wieder auf seinen Sitz und jagte die
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