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Der Schatten des Horus

Der Schatten des Horus

Titel: Der Schatten des Horus
Autoren: Thilo P. Lassak
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Yusuf. »Ausländische Kaufleute durften nur hier ihre Waren verkaufen. Und noch vor knapp einhundertzwanzig Jahren war er einer der bekanntesten Märkte Nordafrikas für eine ganz besonders begehrte Ware: Sklaven.«
    »Wo hast du eigentlich deinen astreinen Ostküstenakzent her, Yusuf«, fragte Sid nach.
    Yusuf freute sich sichtlich über das Kompliment. »Ich habe drei Jahre in den USA studiert, in Philadelphia. Aber dann bekam ich Heimweh. Nirgendwo ist es so schön wie hier in Ägypten! Jetzt lebe ich davon, Touristen in der Stadt herumzuführen. Ein Auto kann ich übrigens auch besorgen, wenn ihr weiter in den Süden möchtet. Oder zum Baden ans Rote Meer!« Er blieb stehen. »So. Da wären wir. Das ist das Fushawi!«
    Rascal stieß Sid den Ellenbogen in die Seite. Erst nach ein paar Augenblicken kapierte er, was sie von ihm wollte.
    »Danke, Yusuf«, begann er unsicher. »Können wir dich noch auf etwas zu trinken einladen?«
    Yusuf schüttelte den Kopf. »Danke, nett von euch. Aber ich habe einen anderen Vorschlag: Ihr überlegt euch in aller Ruhe, ob ihr mich engagieren wollt. Ich warte an der Al-Azhar-Moschee. Ihre Minarette könnt selbst ihr nicht verfehlen!« Er grinste. »Wenn ihr nicht kommt, ist das auch okay. Ich will euch zu nichts drängen. Aber wie heißt es doch in den Märchen von Tausendundeiner Nacht? Hast du Kairo nicht gesehen, hast du die Welt nicht gesehen! Und glaubt mir eins: Ich kann euch die Augen öffnen für die Schönheit meines Landes.«
    Sid und Rascal nickten beeindruckt von der Redekunst des jungen Mannes. Dann traten sie ein in eine andere Welt.

12. Kapitel
    Kairo, Montag, 15 . Oktober 2007, 1 1 Uhr
    Zufrieden drückte Birger Jacobsen das Gespräch weg und verstaute sein Handy in der Jackentasche, direkt neben dem roten, dessen Nummer nur Tanaffus kannte. Mit dem Handrücken wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel. Es war herrlich! Selten hatte er sich Seth so nahe gefühlt wie hier in dessen Heimat. Trotzdem quälte ihn ein Gedanke. Um Tanaffus überlisten zu können, brauchte er einen Vorsprung, brauchte er Informationen. Wer war die Person wirklich, die sich hinter dem kryptischen Namen verbarg? Birger Jacobsen hatte einen Verdacht, seit Langem schon. Seit dem Tag, als dem Jungen das Herz ihres Kultgründers eingepflanzt worden war. Konnte Theodorakis, der berühmte Herzchirurg und Patenonkel des sa, Tanaffus sein? Es gab einen Weg, das herauszufinden.
    Mit einem billigen Strauß Nelken betrat er das Hospital durch den Haupteingang. Die Pförtnerloge war unbesetz t – perfekt! Auf den Gängen schlenderten Hunderte von arabischen Männern umher, ihre Frauen folgten ihnen in gebührendem Abstand. Manche der Weiber trugen Körbe mit verbrannten Kuchen, manche in Plastik eingeschweißte Geschenkpakete mit klebrigen Süßigkeiten, die kein Mensch herunterwürgen konnte, ohne zu seinen anderen Gebrechen auch noch von Diabetes heimgesucht zu werden. Ein typisches afrikanisches Krankenhaus, in das kein Tourist freiwillig seinen Fuß setzen würde.
    Birger Jacobsen wühlte sich tiefer hinein in diese Wartehalle des Todes. Die Ausstattung wirkte schon auf den ersten Blick wie aus dem vorletzten Jahrhundert, auf den Gängen drängelten sich Betten, die der Zahn der Zeit nicht gnädig behandelt hatte. Der Lack blätterte an allen Ecken und Enden ab, Rost machte sich breit. In den Aufenthaltsräumen schliefen Angehörige, die auf gute oder schlechte Nachrichten über die Patienten warteten. Was ihnen die Ärzte auch mitteilten, sie würden mit den Schultern zucken und freudig oder resigniert Malesh! antworten, Schicksal! So waren die Araber. Mohammed hatte mit jedem seinen Plan. Und manchmal bedeutete das eben den Tod, bevor das Leben richtig begonnen hatte. Wer sollte daran schon etwas ändern können? An Seth dachte niemand mehr.
    Birger Jacobsen blieb mit seiner Schuhsohle in der angetrockneten Pfütze eines billigen Softdrinks kleben. Der Boden starrte vor Dreck. Er fand das Ärztezimmer leer. Nach einem kurzen Seitenblick huschte er hinein und schloss die Tür. Über der Lehne eines Drehstuhls hing der weiße Mantel von Doktor Suleyman al-Rahim, wie das Namensschild auf Arabisch auswies. Birger Jacobsen warf die Blumen in einen Papierkorb, zog den Kittel über und hängte sich ein einsames Stethoskop um den Hals. In einem Schränkchen fand er eine Papiermütze, wie sie in Norwegen die Metzger trugen, und einen grünen Mundschutz.
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