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Der Schakal

Der Schakal

Titel: Der Schakal
Autoren: Frederick Forsyth
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durcheinandergebrachte graue Haar büschelweise in alle Himmelsrichtungen vom Schädel ab. Valremy reichte ihm die Ausweise zurück.
    »Wozu wollen Sie denn hier durchgehen?«
    »Ich wohne da«, sagte der alte Mann. »Ich lebe von meiner Rente. Ich habe eine Mansarde.«
    Valremy entriß dem Alten nochmals die Ausweise, um die darauf angegebene Adresse zu überprüfen. Die Identitätskarte gab sie mit 154 rue de Rennes, Paris 6ieme, an. Der CRS- Mann sah zu dem Haus hinauf, vor dem er stand. Das Schild über dem Eingang trug die Nummer 132.154 mußte sich demnach ein Stück weiter die Straße hinunter befinden. Einen alten Mann passieren zu lassen, der nach Hause wollte, konnte schließlich nicht verboten sein.
    »Also gut, gehen Sie. Aber machen Sie mir keinen Ärger. In einer Stunde kommt Charlemagne.«
    Der alte Mann lächelte, steckte seine Ausweise ein und wäre auf seinem einen Bein und seiner Krücke womöglich noch ins Stolpern geraten, wenn ihn Valremy nicht hilfreich gestützt hätte.
    »Ich weiß. Einer von meinen alten Kameraden bekommt heute seine Medaille. Ich habe meine vor zwei Jahren gekriegt«, er tippte auf die Médaille de la Libération auf seiner Brust, »aber nur vom Verteidigungsminister. «
    Valremy warf einen Blick auf die Auszeichnung. Also das war die Befreiungsmedaille.
    Verdammt kleines Ding, was sie einem dafür gaben, daß man sich ein Bein abschießen ließ. Er erinnerte sich plötzlich seiner amtlichen Würde und entließ den Veteran mit einem flüchtigen Nicken. Der alte Mann humpelte mühsam davon.Valremy drehte sich um und drängte einen Passanten zurück, der ebenfalls durch die Absperrung zu schlüpfen versuchte.
    »Nichts da, treten Sie hinter die Barriere zurück.«
    Das letzte, was er von dem alten Soldaten sah, der ganz am Ende der Straße unmittelbar vor dem Platz in einem Hauseingang verschwand, waren die langen Schöße des Militärmantels. Madame Berthe sah überrascht auf, als der Schatten auf sie fiel. Es war ein anstrengender Tag gewesen, mit all den Polizisten in sämtlichen Wohnungen, und sie wagte sich nicht auszumalen, was die Mieter wohl dazu gesagt hätten, wenn sie dagewesen wären. Zum Glück waren sie alle bis auf drei in den Sommerferien.
    Als die Polizei abzog, hatte sie sich endlich auf ihrem gewohnten Platz im Hauseingang niederlassen und in Ruhe noch ein wenig stricken können. Die offiziellen Feierlichkeiten, die in zwei Stunden auf dem hundert Meter entfernten Bahnhofsvorplatz beginnen sollten, interessierten sie nicht im mindesten.
    »Excusez-moi, madame, ich dachte - dürfte ich Sie vielleicht um ein Glas Wasser bitten? Es ist so heiß draußen, und wenn man bei der feierlichen Ordensverleihung zuschauen möchte…« Sie sah das Gesicht und die Gestalt eines alten Mannes vor sich, der in einem Militärmantel steckte, wie ihr verstorbener Mann ihn einst getragen hatte, mit Medaillen, die knapp unterhalb des Kragenaufschlags auf der linken Brustseite hin und herschwangen. Er stützte sich schwer auf seine Krücke, und unter dem Mantelsaum sah nur ein Bein hervor. Sein Gesicht war mager und verschwitzt. Madame Berthe legte ihr Strickzeug zusammen und steckte es in die Schürzentasche.
    »Oh, mon pauv' monsieur. So herumzulaufen und bei der Hitze. Die Feier fängt erst in zwei Stunden an. Sie haben noch viel, viel Zeit. Kommen Sie, kommen Sie doch herein.«
    Sie eilte ihm in ihre durch eine Glastür von der Halle abgetrennte Wohnung voraus. Der Kriegsveteran humpelte ihr nach.
    Das Rauschen des Wasserstrahls aus dem Zapfhahn in der Küche ließ sie nicht hören, wie die Tür geschlossen wurde; sie spürte kaum, daß sich die Finger der Linken des Mannes um ihren Unterkiefer legten. Und das Knirschen der unmittelbar hinter ihrem rechten Ohr eingedrückten Knöchelchen am Warzenfortsatz ihres Schläfenbeins kam völlig überraschend.
    Das Bild des laufenden Wasserhahns mit dem Glas darunter zerplatzte in tausend rote und schwarze Flecken, und ihr Körper glitt schlaff zu Boden.
    Der Schakal knöpfte seinen Mantel auf und löste den Gurt, mit dem er sich den rechten Unterschenkel unter das Gesäß gebunden hatte. Als er das verkrampfte Bein abwechselnd streckte und beugte, um die Durchblutung anzuregen, verzog sich sein Gesicht vor Schmerz. Es dauerte einige Minuten, bevor er wieder mit dem Bein auftreten und es mit seinem Gewicht belasten konnte.
    Fünf Minuten später war Madame Berthe mit der Wäscheleine, die er unter dem Ausguß fand, an Händen und
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