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Der Sarg: Psychothriller

Der Sarg: Psychothriller

Titel: Der Sarg: Psychothriller
Autoren: Arno Strobel
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ziemlich sicher, bei Frau Rossbach klare Anzeichen einer DIS entdeckt, oder besser am eigenen Leib gespürt zu haben.«
    »Einer was?«
    »Dissoziative Identitätsstörung. In Frau Rossbachs Körper gibt es mindestens zwei Persönlichkeiten. Eine dieser beiden Persönlichkeiten war es, die mich niedergeschlagen hat, und ich bin sicher, es war nicht Eva.«
    »Was?
Sie
hat sie … und was heißt das, es war nicht Eva Rossbach, die Sie niedergeschlagen hat? Sie war es, aber sie war es dann doch wieder nicht?«
    »Ich weiß, das ist schwer zu verstehen, aber im Körper von Frau Rossbach existieren mindestens zwei unterschiedliche Persönlichkeiten. Das ist, als würden sich zwei völlig verschiedene Menschen einen Körper teilen. Dieses Phänomen ist recht selten und tritt nur dann auf, wenn es in früher Kindheit massive körperliche oder sexuelle Gewalt gab, oder beides. Es ist ein allerletzter Schutzmechanismus. Die Seele dieser Kinder ist derart verletzt, dass sie sterben würden, wenn sie sich nicht aufspalten. Ab diesem Moment der Aufspaltung ist dann die andere Persönlichkeit zuständig, sobald sich gewisse Schlüsselsituationen ergeben. Zum Beispiel, wenn im Falle sexueller Gewalt erste Anzeichen einer bevorstehenden Vergewaltigung erkennbar sind, dann zieht sich die ursprüngliche, die primäre Persönlichkeit, der sogenannte Host, augenblicklich zurück, und die andere, die Opferpersönlichkeit, kommt
nach vorne
, übernimmt sozusagen. Sie wird alles ertragen, was geschieht, ohne dass der Host etwas davon mitbekommt. Ist es dann vorüber, zieht sich die Opferpersönlichkeit zurück, und der Host kehrt plötzlich wieder und hat keine Ahnung, was in der Zwischenzeit geschehen ist.«
    »Wissen diese beiden Persönlichkeiten voneinander?«, fragte Reithöfer nach.
    »Das ist unterschiedlich. Manchmal kennen sie sich, manchmal weiß auch nur eine Persönlichkeit von der anderen, manchmal wissen aber auch beide überhaupt nichts voneinander.«
    »Das hört sich alles sehr seltsam an. Was mich interessieren würde – woher wissen Sie, dass es eine andere … Persönlichkeit in Eva Rossbach war, die Sie niedergeschlagen hat?«
    »Es gab einige eindeutige Anzeichen, aber das Wichtigste: Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Eva Rossbach, die ich kennengelernt habe, zu mir sagen würde: ›Leck mich doch am Arsch, du Psychowichser.‹«
    »Das hat sie gesagt? Sie haben recht, das kann ich mir auch nicht vorstellen. Aber was genau ist heute Nachmittag in Ihrer Praxis passiert?«
    Leienberg veränderte seine Liegeposition und verzog schmerzhaft das Gesicht. »Eva kam zu mir in die Praxis, weil sie mit mir über ihren Bruder reden wollte.«
    Die Tür öffnete sich, und ein Arzt kam in Begleitung einer Pflegerin in mintgrüner Montur herein. Als er Menkhoff und Reithöfer sah, stutzte er. »Guten Abend. Darf ich fragen, wer Sie …«
    »Bernd Menkhoff, Kripo Köln, das ist meine Kollegin Jutta Reithöfer. Wir haben einige Fragen an Herrn Leienberg.«
    Der Arzt war nun am Fußende des Betts angekommen und ließ seinen Blick auf den beiden Monitoren ruhen, die oberhalb des Kopfendes aufgebaut waren und flimmernde Linien zeigten. »Können Sie sich bitte kurzfassen, Herr Dr. Leienberg hat eine schwere Schädelfraktur.«
    »Ja, sicher, Herr Doktor.« Menkhoff wartete und sah dem Arzt dabei zu, wie er an den Infusionen herumhantierte und etwas auf einen Zettel notierte, der in einem Klemmbrett eingespannt war. »Bitte, machen Sie ruhig weiter«, sagte der Arzt mit einem Seitenblick zu Reithöfer, die jedoch den Kopf schüttelte. »Danke, wir warten.«
    Kurz darauf verließen der Arzt und die Schwester wieder das Zimmer, und Leienberg redete ohne Aufforderung weiter.
    »Sehr überrascht hat mich Evas Überzeugung nicht, ihr Bruder sei noch am Leben. Es passt zu ihr, dass sie einen der wenigen Menschen, den sie geliebt hat, nicht loslassen möchte. Menschen wie Eva bauen sich dann schon mal ihre eigene, parallele Wirklichkeit auf, in der das Leben schöner ist und das Schlimme, was sie erlebt haben, einfach nicht vorkommt. Wenn sie das lange genug tun, verschwimmen irgendwann die Grenzen dieser beiden Welten, und sie können nicht mehr klar unterscheiden, was nun Realität oder lediglich Wunschtraum ist. Eva Rossbach hat mir also von ihrem Bruder erzählt, und davon, wie schlimm seine Kindheit gewesen ist. Mir kam gleich der Verdacht, dass Eva selbst Opfer extremer Misshandlungen gewesen sein könnte,
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