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Der Ruf des Satyrs

Der Ruf des Satyrs

Titel: Der Ruf des Satyrs
Autoren: Elizabeth Amber
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sie. »Geh nicht! Deine Natur zu verleugnen, wird nichts ändern. Du wirst uns schon bald brauchen, zwischen deinen Schenkeln«, äußerte er. Genau das, was Dane auch gesagt hatte.
    Und dann kam das Mondlicht wieder über ihn, noch intensiver, und ließ alle Farbe aus seiner Haut weichen und steigerte seine lustvolle Sehnsucht fast bis ins Unerträgliche. Sein Rücken bog sich durch, und ein urtümliches Grollen – halb Lust, halb Schmerz – drang aus seiner Kehle und erschütterte förmlich die Blätter an den Bäumen, während die letzte körperliche Veränderung der Vollmondnacht in ihm stattfand. In silbernes Mondlicht getaucht, stand er da und fühlte, wie seine Arme sich weit ausstreckten und seine Hände sich zu Fäusten ballten. Sein Gesicht hob sich der schimmernden Scheibe am nachtschwarzen Himmel entgegen, um ihr zu huldigen.
    Nur Augenblicke später war es so weit. Nun war er vollständig verwandelt und bereit, die Rituale der Nacht zu beginnen. Seine Hand schloss sich um den dicken Schaft, der aus seinen Lenden ragte, während die andere seinen eben erst entstandenen Zwilling umfasste, der sich nur ein paar Zentimeter darüber erhob. Der Vollmond hatte ihm diesen zweiten Schaft aus Muskeln und Sehnen beschert – diesen zweiten Schwanz, der aus seinem Bauch gesprossen war. Hoch und steif ragte er aus seinen Lenden empor und zuckte vor Begierde. Er strich mit seinen Händen die jeweils etwa fünfundzwanzig Zentimeter entlang und verrieb mit den Daumen die feuchten Lusttropfen, die sich auf beiden Spitzen gebildet hatten.
    In der Ferne hörte er die Frau durch das Gestrüpp brechen. Gleich darauf vernahm er das Getrappel ihres Pferdewagens, als sie den Hügel hinabfuhr. Sie floh. Rannte vor ihm davon – und vor ihrem eigenen Verlangen. Sie war taub gegenüber allem, was er ihr vielleicht noch sagen wollte. Bevor er sich mit dem Morgengrauen wieder entfernte, würde er jede Erinnerung an sie aus Danes Gedächtnis tilgen. So wie er die Erinnerung an andere, weit grausamere Liebhaber aus seinem Gedächtnis getilgt hatte – damals, vor zwölf Jahren.
    Instinktiv schlug er den Weg zu dem Tempel ein, der sich auf Danes Grundstück befand und den er direkt geradeaus vor sich schimmern sah. Weit unten im Tal konnte er den Schein der Lichter erkennen, dort, wo die Archäologen bis spät in die Nacht arbeiteten. Die Ausgrabungen im Forum gingen rund um die Uhr, Woche für Woche. Sie waren dabei, Relikte und Artefakte freizulegen, die schon seit Jahrhunderten dort verborgen lagen.
    Und Geheimnisse.
    Geheimnisse, die von Dane ferngehalten werden mussten.

[home]
    2
    M it klopfendem Herzen kämpfte Mademoiselle Evangeline Delacorte darum, den schmalen Bronzeschlüssel in das Schloss des schmuckvollen schmiedeeisernen Tores zu bekommen. Eine schwierige Aufgabe, weil ihre Hände in den Spitzenhandschuhen so stark zitterten.
    Ihr Gesicht war gerötet, wie im Fieber mit einer unseligen Krankheit, die sie regelmäßig und mit immer größerer Gewalt befiel. Menschliche Frauen in ihrem Bekanntenkreis beklagten sich wahrscheinlich in der Ungestörtheit ihrer Salons beim Tee mit Freundinnen über ihre monatliche Blutung. Sie hingegen musste Stillschweigen bewahren zum Thema ihrer eigenen, ungewöhnlicheren monatlichen Beschwerden, zu ihrer eigenen Sicherheit und zum Wohle derer, die sie beschützte.
    »Odette? Pinot?«, rief sie und rüttelte mit wachsender Verzweiflung an dem Schlüssel im Schloss. Warum sperrte er denn nicht? Während sie sich panisch abmühte, sah der Mond am italienischen Himmel nur träge auf sie herab. Wie viel Zeit hatte sie noch? Fünfzehn Minuten? Zehn? Noch nie hatte sie die Zeit so knapp werden lassen. Direkt hinter dem Tor befand sich ein kleiner Garten und dahinter die Eingangstür ihres Stadthauses. Nur noch Augenblicke, bevor sie zusammenbrach.
    Plötzlich zuckten Lichtblitze über den Himmel über ihr und barsten auseinander wie feurige Schneebälle. Sie fuhr heftig zusammen, und der Schlüssel fiel klirrend auf das Kopfsteinpflaster zu ihren Füßen.
    Sie fluchte unterdrückt. »Muss denn jede Nacht irgendjemand Berühmtes in diese lächerliche Stadt kommen?« Sie bückte sich, schwang ihre Röcke beiseite und suchte den Boden rund um sie herum ab.
    Schritte erklangen, und sie blickte beunruhigt auf. War ihr der Mann aus dem Hain gefolgt? Doch es handelte sich nur um eine Gruppe feiernder Menschen, die an ihr vorbeieilte auf dem Weg zu irgendeiner römischen
festa.
Jahrzehntelange
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