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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel
Autoren: Diana Gabaldon
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in den braunen Augen des Jungen auf, das einzige in seinem Gesicht, was man mit Fug und Recht schön nennen konnte. Er sah mich an. »War es schlimm, Tante Claire?«
    »Ja«, sagte ich. »Aber es ist vorbei.« Ich zog mir das feuchte Taschentuch aus dem Ausschnitt und stellte mich auf die Zehenspitzen, um ihm den Flecken von der Wange zu wischen.
    Duncan Innes schüttelte traurig den Kopf. »Aye, armer Gavin. Aber immer noch ein schnellerer Tod als Verhungern, und etwas anderes wäre ihm kaum übriggeblieben.«

    »Laßt uns gehen«, unterbrach Jamie, dem der Sinn nicht nach nutzlosem Lamentieren stand. »Die Bonnie Mary dürfte fast am anderen Ende des Kais liegen.« Ich sah, wie Ian Jamie einen Blick zuwarf und sich aufrichtete, als wollte er etwas sagen, doch Jamie hatte sich schon zum Hafen umgedreht und schob sich durch das Gedränge. Ian sah mich an, zuckte die Achseln und bot mir seinen Arm.
    Wir folgten Jamie an den Lagerhäusern vorbei, die die Docks säumten, und wichen dabei Matrosen, Trägern, Sklaven, Passagieren, Käufern und Verkäufern aller Art aus.
    Charleston war ein bedeutender Hafen, und das Geschäft blühte. In einer Saison sah man dort bis zu hundert Schiffe, die aus Europa eintrafen oder dorthin aufbrachen.
    Die Bonnie Mary gehörte einem Freund von Jamies Vetter Jared, der nach Frankreich emigriert war, um sich dort als Weinhändler zu versuchen, und ein Vermögen verdient hatte. Mit etwas Glück konnte man vielleicht den Kapitän der Bonnie Mary überreden, Ian um Jareds willen mit zurück nach Edinburgh zu nehmen, wenn er dafür als Schiffsjunge arbeitete.
    Ian war von dieser Aussicht nicht begeistert, aber Jamie war fest entschlossen, seinen auf Abwege geratenen Neffen bei nächster Gelegenheit nach Schottland zurückzubefördern. Es war unter anderem die Nachricht gewesen, daß die Bonnie Mary in Charleston lag, die uns von Georgia hierhergeführt hatte. Dort hatten wir zwei Monate zuvor - zufällig - zum ersten Mal amerikanischen Boden betreten.
    Wir kamen an einem Wirtshaus vorbei, und gerade in diesem Moment trat eine schmuddelige Dienstmagd mit einer Schüssel Küchenabfälle nach draußen. Sie erblickte Jamie und hielt inne, setzte die Schüssel auf ihrer Hüfte ab, sah ihn von der Seite an und lächelte ihn mit einem Schmollmund an. Er ging zielstrebig weiter, ohne ihr auch nur einen Blick zu gönnen. Sie warf den Kopf zurück, schüttete dem Schwein, das neben der Schwelle schlief, die Essensreste hin und rauschte wieder hinein.
    Er blieb stehen und hielt sich die Hand über die Augen, um an der Reihe der hoch aufragenden Schiffsmasten entlangzusehen. Ich stellte mich neben ihn. Er zupfte unwillkürlich an der Vorderseite seiner engen Kniehose und ich ergriff seinen Arm.
    »Familienjuwelen noch in Sicherheit?« murmelte ich.
    »Unbequem, aber in Sicherheit«, versicherte er mir. Er rupfte an den Schnüren seines Hosenschlitzes und zog eine Grimasse. »Hätte sie mir aber doch besser in den Hintern gesteckt, glaube ich.«

    »Lieber du als ich«, sagte ich lächelnd. »Da riskiere ich es doch lieber, ausgeraubt zu werden.«
    Bei den Familienjuwelen handelte es sich tatsächlich um Edelsteine. Ein Hurrikan hatte uns an die Küste von Georgia getrieben, wo wir durchnäßt, zerlumpt und mittellos gestrandet waren - bis auf eine Handvoll großer, wertvoller Edelsteine.
    Ich hoffte, daß der Kapitän der Bonnie Mary Jared Fraser genügend schätzte, um Ian als Schiffsjungen zu nehmen, denn sonst würde uns die Überfahrt in Schwierigkeiten bringen.
    Theoretisch enthielten Jamies und meine Taschen ein beträchtliches Vermögen. Praktisch nutzten uns die Steine nicht mehr als Strandkiesel. Edelsteine waren zwar eine gute Lösung, wenn man Reichtum transportieren wollte, doch war es ein Problem, sie wieder zu Geld zu machen.
    Die meisten Geschäfte in den südlichen Kolonien liefen über Tauschhandel ab, und der Rest funktionierte entweder über Interimsscheine oder Wechsel, die auf einen reichen Kaufmann oder Bankier ausgestellt waren. Und reiche Bankiers waren in Georgia nicht gerade dicht gesät, schon gar nicht solche, die daran interessiert waren, ihr verfügbares Kapital in Edelsteinen anzulegen. Der wohlhabende Reisfarmer in Savannah, der uns aufgenommen hatte, hatte uns versichert, er selbst könne keine zwei Pfund Sterling in bar zusammenkratzen - wahrscheinlich existierten in der ganzen Kolonie keine zehn Pfund in Gold oder Silber.
    Und natürlich hatte sich auch in den endlosen
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