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Der Rubin im Rauch

Der Rubin im Rauch

Titel: Der Rubin im Rauch
Autoren: Philip Pullman
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sich.
„Nur los, Kamerad", sagte er und starrte zu Mr. Berry auf mit dem
ganzen Mut, den er hatte.
Der Stock krachte nieder. Jim hob den Arm und die ganze Wucht
des Schlages traf seinen Ellbogen. Fast hätte er das Bewußtsein
verloren. Er hörte Adelaide aufschreien und sah den Stock wieder
hoch in der Luft; dann senkte er den Kopf und griff an.
Mr. Berry schob ihn beiseite wie eine lästige Fliege und versetzte
ihm einen weiteren Schlag mit dem furchtbaren Stock -- diesmal auf
die Schulter. Jim verspürte rasende Schmerzen und nahm kaum wahr,
daß er gestürzt war.
Er schmeckte Blut und hörte den Schrei eines Kindes. Er wußte,
daß er ihr helfen mußte, deswegen war er gekommen. Er zwang sich
dazu, den Kopf zu drehe n und stellte fest, daß er nicht aufstehen
konnte; seine Arme gehorchten ihm nicht. Er kämpfte gegen den
Schmerz und weinte, was ihn mit tiefer Beschämung und Abscheu
erfüllte. Adelaide klammerte sich an ihn, an seine Jacke, seine Hand,
sein Haar -- sie krallte sich an ihm fest, so daß er die Arme nicht
bewegen konnte, um ihr zu helfen -- Mr. Berry hatte mit einer Hand
ihren Hals gepackt, und mit der anderen riß er sie von Jim weg; sie
war am Ersticken, ihre Augen verdrehten sich, sie keuchte -- der große
Mann brummte wie ein Bär, er bleckte seine fauligen Zähne, seine
roten Augen glühten immer näher, er hatte sie losgerissen und hob sie
hoch in die Luft
„Stellen Sie sie auf den Boden", sagte Frederick Garland. „Aber 'n
bißchen plötzlich, sonst bring ich Sie um."
Mr. Berry stand regungslos da. Jim verrenkte seinen Kopf.
Frederick stand kraftlos da, eine Hand an die Mauer gestützt. Sein
Gesicht war schrecklich gezeichnet. Ein Auge war geschlossen, der
Mund geschwollen, eine Backe hatte blaue Flecken und war zerkratzt,
und er zitterte am ganzen Körper. Mrs. Holland stand da und schaute
selbstgefällig zu.
„Wie denn?" fragte Mr. Berry.
„Runter mit ihr, dann werden Se schon sehn", sagte Frederick.
„Hab gedacht, ich hätt dich fertiggemacht."
„Mr. Berry, mit Ihnen ist's auch nicht mehr weit her", sagte Mrs.
Holland. „Das Bürschlein da is 'n ganz gerissener. Jetzt is er mir
schon viermal übern Weg gelaufen. Bringen Se ihn um die Ecke, Mr.
Berry. Her mit dem Mädchen."
Adelaide war so schlaff wie eine Puppe. Mr. Berry ließ sie fallen,
und Mrs. Holland fing sie sofort auf.
„Er bringt dich um, Fred", krächzte Jim.
„Nein, das wird er nicht", sagte Frederick mit belegter Stimme.
Dann stürzte sich Mr. Berry auf ihn und Frederick wich aus. Das
schafft er nie, nie, dachte Jim. Aber er ist tapfer. Frederick bekam
einen Schlag auf den Kopf ab und fiel zu Boden, rollte sich aber außer
Reichweite von Mr. Berrys Stiefeln. Er hat seinen Stock gar nicht
mehr, dachte Jim, er muß ihn fallen gelassen haben, als er Adelaide
aufhob. Frederick schob sich an die Mauer, holte mit seinem Bein aus
und brachte den großen Mann zu Fall.
Er stürzte um wie ein Baum, und Frederick war sofort auf ihm,
trommelte auf ihm herum und schlug auf ihn ein -- aber er war so
leicht und so geschwächt, daß seine Schläge wie die eines Kindes
waren. Mr. Berry erhob einen Arm wie einen Eichenbalken und stieß
Frederick beiseite. Jim kämpfte verzweifelt, versuchte aufzustehen
und verlagerte sein Gewicht auf den verletzten Arm, so daß dieser
unter ihm wegsackte. Ein unsagbarer Schmerz durchzuckte ihn, wie er
es nie für möglich gehalten hätte. Sein Kopf prallte auf irgend etwas
Bewegliches: der Stock, dachte er und verlor das Bewußtsein. In der
nächsten Sekunde war er wieder wach und sah Frederick etwa einen
Meter weit weg auf den Knien, er versuchte, sich gegen einen Hagel
von Schlägen, die auf seine Schultern und seinen Kopf
niederprasselten, zu schützen. Er schlug auch um sich, aber von drei
Schlägen traf höchstens einer -- und er war so schwach jetzt, daß seine
Hiebe kaum Adelaide weh getan hätten. Jim drehte und wand sich, bis
sein gesunder Arm nach dem Stock langen konnte. Ich sterb noch vor
Schmerzen, dachte er, ich kann's nicht mehr ertragen -- aber Fred, der
hört ja gar nicht mehr auf -- der ist wie ich -- er is 'n feiner Kerl --
„Da, Fred", rief er und warf ihm den Stock zu.
Frederick spürte ihn in den Händen, ehe Mr. Berry begriff, was
geschah, und das schien ihm Kraft zu geben. Er umklammerte ihn mit
beiden Händen und stieß ihn dem dicken Mann in den Bauch. Mr.
Berry japste, und Frederick stieß nochmals zu und rappelte sich dann
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