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Der Rote Tod

Der Rote Tod

Titel: Der Rote Tod
Autoren: Jason Dark
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quer und brauchte nur einen leichten Anstoß zu bekommen, um in das kalte Wasser zu rutschen.
    Hanna bewegte sich nicht. Sie konnte es auch nicht.
    Nur das Herz schlug so schnell wie selten. Sehr genau schaute sie hin. Das da unten war keine Teppichrolle.
    War es ein Mensch?
    Die Nervosität nahm bei ihr zu. Beide Handflächen wischte sie am Stoff der Hose ab. Den Atem saugte sie schnaufend ein. Im Kopf spürte sie plötzlich Stiche.
    Weglaufen, zur Polizei rennen oder einfach die Brüstung überklettern und zum Wasser rutschen?
    Hanna wusste nicht, was plötzlich in ihrem Kopf los war. Sie überwand die eigenen Grenzen und damit die Vorsicht. Unter dem Geländer tauchte sie hinweg, stand auf der anderen Seite und musste jetzt verdammt vorsichtig zu Werke gehen, um auf der schrägen Fläche nicht abzurutschen und im Kanal zu landen.
    Zum Glück trug sie Turnschuhe mit einem griffigen Sohlenprofil. Das gab ihr einen recht guten Halt. Den verlor sie auch nicht, als sie die Nähe des Gegenstandes erreichte.
    Noch wusste sie nicht genau, wer oder was dort am Wasser lag. Vom Gefühl her glaubte sie, dass es ein Toter war. Wieder ein Mensch, den der Rote Tod ermordet hatte.
    Oh, auf dem Bildschirm hatte Hanna schon jede Menge Tote gesehen. Oft schlimme Bilder, wie sie der Irakkrieg dem Zuschauer nach Hause gebracht hatte.
    Aber einem echten Toten gegenüberzustehen, das hatte sie noch nicht erlebt.
    Noch hielt sich bei ihr die Hoffnung, dass die Gestalt nicht tot war, sondern nur betrunken hier am Wasser ihren Rausch ausschlief. Auf Zehenspitzen näherte sie sich der Gestalt und blieb so nahe bei ihr stehen, dass sie nach unten schauen konnte und das bleiche Gesicht sah.
    Hanna schloss die Augen. Sie hatte sich nicht mehr in der Gewalt. Sie stand auf der Stelle, zitterte und schluchzte, denn sie hatte festgestellt, dass dieser Mann nicht mehr lebte.
    Zum ersten Mal in seinem Leben sah das Mädchen einen Toten...
    ***
    Und Hanna erlebte zum ersten Mal, dass Zeit verschwinden kann. Es gab sie nicht mehr, sie war bedeutungslos geworden. Hanna schaute über das Wasser hinweg zum anderen Ufer, wo sich nichts tat. Es blieb ebenso ruhig wie das an ihrer Seite.
    Kein Plätschern vom Wasser war zu hören. Keine Verkehrsgeräusche. Hanna fand sich gefangen in einer riesigen Totengruft und war erleichtert über ihren leisen Schrei. Der ihr bewies, dass sie noch lebte und nicht zu irgendwelchen Leichen gehörte.
    Eine lag vor ihr.
    Gewöhnt hatte sie sich nicht an den Anblick. Sie wusste auch nicht, was sie dazu trieb, sich zu bücken. Zuvor hatte sie Zündhölzer aus ihrer Jeanstasche gekramt. Es war hier unten windstill genug, um die Flamme länger brennen zu lassen.
    Hanna riss ein Zündholz an und näherte die Flamme dem Gesicht. Sie wollte etwas Bestimmtes herausfinden. Das schaffte sie nur, wenn sie Umgebung heller war.
    Das Licht trieb die Schatten vor. Es erhellte dafür das Gesicht, und Hanna dachte wieder an die beiden so großen Gegensätze. Der Mann war noch recht jung. Das nahm sie nur nebenbei wahr. Etwas anderes interessierte sie viel mehr.
    Auf der Stirn war es genau zu sehen.
    Drei Worte nur, die aber reichten aus.
    DER ROTE TOD!
    Die Flamme erlosch, bevor sie die Fingerkuppen des Mädchens anbrennen konnte, und auch die Worte verschwanden von der Stirn des Toten. Sie würden trotzdem bleiben und einen weiteren Hinweis auf den verfluchten Mörder geben.
    Langsam drückte sich das Mädchen in die Höhe. Hanna wusste, was sie jetzt tun musste, aber sie war nicht in der Lage, sich zu bewegen. Der Fund hatte sie geschockt und hatte auch die Angst bei ihr zurückgebracht.
    Zugleich quälte sie eine andere Frage. Warum hatte gerade sie den Toten gefunden? Warum nicht ein anderer Bewohner der Stadt? Die Straßen waren belebt, die Menschen hielten sich gern im Freien auf, aber es war niemand diesen Weg hier gegangen, obwohl er als romantisch gepriesen wurde.
    War das ihr Schicksal? Hatte ihr da ein gewisser Glaube geholfen und sie an den Ort der Tat getrieben?
    Sie konnte nachdenken, so viel sie wollte, zu einer Lösung aber kam sie nicht. Aber sie wusste auch, dass sie hier nicht über Stunden stehen bleiben konnte. Sie musste etwas tun. Es kam auf sie an, denn sie hatte den Toten gefunden. Jetzt musste sie zur Polizei laufen und dort alles erzählen und zu Protokoll geben.
    Hanna wollte an der gleichen Stelle wieder in die Höhe klettern. Sie drehte sich nach rechts um zur Brücke hin und hatte genau die Hälfte geschafft,
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