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Der Rote Tod

Der Rote Tod

Titel: Der Rote Tod
Autoren: Jason Dark
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für dich besser, denn du willst ja das Abitur machen. Da ist es gut, wenn du in einer Schule bleibst. Das hängt noch alles in der Schwebe. In ein paar Wochen wissen wir mehr.«
    »Ja, das stimmt.« Hanna schaute zum Fenster des Wohnmobils hin, das ihr gegenüber lag. Der Monat Mai neigte sich dem Ende zu. Es war nicht nur warm geworden, es blieb auch noch lange hell. Die Luft hatte sich nur ein wenig abgekühlt. Sie drang jetzt durch die offenen Fenster in die fahrbare Behausung. Durch die dünnen Mückengitter hatten kleine Insekten keine Chance, den Wagen zu erobern. Sie tanzten vor dem Gitter im Schein einer Außenlampe.
    »Wann kommt Vati denn zurück?«
    »Das weiß ich nicht. Nach der Vorstellung wollte er sich noch mit jemandem treffen, um. über die Zukunft zu reden. Es kann also spät werden. Du kennst ihn ja.«
    »Dann holst du ihn nicht ab?«
    »Nein, das werde ich nicht.« Gertrud Kohler gähnte. »Außerdem bin ich hundemüde.«
    »Ich auch.«
    »Echt?«
    »Ja.«
    Die Frau runzelte die Stirn. »So richtig kann ich dir das nicht glauben.«
    »Doch, ja.« Hanna gähnte ebenfalls. »Vielleicht lese ich noch etwas.«
    »Okay, das kannst du.«
    Mutter und Tochter saßen auf der schmalen Couch, die in den Wohnwagen hineinpasste und nicht zu viel Platz wegnahm. Sie fuhren wirklich mit einem der besten und auch größten Wohnmobile, und trotzdem mussten sie sich einschränken. Die Schlafräume und auch die Nasszelle befanden sich im Heck des Wagens. Eine quer stehende Wand mit einer schmalen Tür trennte den Wohnund Schlafbereich.
    Nachdem Gertrud Kohler ein weiteres Mal kräftig gegähnt und ihrer Tochter einen Kuss gegeben hatte, ging sie auf die schmale Tür zu. Davor drehte sie sich noch mal um.
    »Träum was Schönes, Kleine.«
    »Mal sehen.«
    »Aber nicht vom Roten Tod.«
    Hanna grinste nur. Sie drehte den Kopf erst zur Seite, als ihre Mutter die Tür hinter sich geschlossen hatte.
    Im Sessel blieb Hanna mit angezogenen Beinen im Schneidersitz sitzen. Es gab im Innern nur eine Lichtquelle, und die befand sich etwas weiter von ihr entfernt, sodass sie am Ende der Schatten saß und zum Teil von ihnen erfasst wurde.
    Der Wagen war ihre Welt. Sie fühlte sich darin wohl. Auch wenn alles auf engem Raum ablief und keiner dem anderen richtig aus dem Weg gehen konnte, hatte sie sich daran gewöhnt. Eine Enge verlangte eine gewisse Rücksichtnahme. Da durfte man nicht egoistisch sein. Da musste man aufeinander Rücksicht nehmen, und das war wirklich nicht schlecht. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass sich ihre Eltern groß gestritten hatten. Okay, es gab immer wieder mal Auseinandersetzungen, aber sie wurden sehr sachlich geführt, und Hannas Vater war das, was man als einen Gentleman betrachtete, der seine Familienmitglieder nicht beleidigte und sehr tolerant war.
    Sie lebte in einer glücklichen Gemeinschaft, und sie war auch dankbar dafür, dass ihre Eltern sie nicht auf ein Internat geschickt hatten. Sie war immer bei ihnen. Wenn der Vater als Schauspieler in einer Stadt gastierte, dann ging sie die gesamte Zeit über zur Schule, abgesehen von den Ferien natürlich. Das hatte sich so eingespielt, und Hanna zeigte auch keine Defizite.
    Sie interessierte sich einfach für alles. »Überdurchschnittlich begabt ist Ihre Tochter«, hatte mal ein Lehrer gesagt, und »es ist schon bemerkenswert, was sie alles weiß.«
    Über so etwas freute sich die Zwölfjährige natürlich. Es war eben der Lohn für das viele Lesen der unterschiedlichsten Bücher. Es blieb doch immer etwas hängen.
    An diesem späten Abend wollte sie zu keinem Buch mehr greifen. Die innerliche Ruhe fehlte, denn ihre Gedanken drehten sich immer wieder um ein Thema.
    Der Rote Tod war in der Stadt!
    Genau diese Tatsache hatte Hanna alarmiert, obwohl ihre Mutter es abstritt. Trotzdem wusste sie es besser. Sie wollte es nur nicht zugeben, um Hanna nicht zu ängstigen. Die Zeitungen logen nicht, und das Märchen vom Roten Tod gab es. Die Geschichte war zwar nicht besonders bekannt, aber vergessen war sie auch nicht, und Hanna fragte sich, ob es überhaupt ein Märchen war.
    Zumindest die Gebrüder Grimm hatten es nicht geschrieben, und doch war die Geschichte aufgezeichnet worden. Mehr als eine Legende oder Sage. Weniger als ein Märchen.
    Bei den Sagen und Legenden gab es immer einen Schuss Wahrheit. Weil dies so war, konnte sich Hanna auch mit der Existenz des Roten Tods anfreunden. Einer wie er überlebte die Jahrhunderte, denn er hatte
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