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Der rote Tod

Der rote Tod

Titel: Der rote Tod
Autoren: Pat N. Elrod
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sehen. Er hatte im letzten Monat nicht viel zu lachen gehabt. Was war mit seiner anderen Hand? Sie war damit beschäftigt, ein Päckchen oder einen Korb zu tragen. Voll mit Essen, wahrscheinlich. Es war kaum das ideale Wetter, um angenehm im Freien zu essen, aber sie schienen dies bereitwillig zu ignorieren, solange sie nur zusammen waren.
    Interessant. Nun hielten sie inne, um sich anzusehen. Vater beugte sich leicht vornüber und küsste sie lange auf die Lippen. Mein eigener Mund wurde trocken. Vielleicht war nun Zeit zu gehen. Als ich unschlüssig schwankte, endete ihr Kuss, und sie drehten sich um und verschwanden im Schatten der Bäume. Sie traten nicht wieder heraus.
    Rolly schnaubte ungeduldig und senkte den Kopf, um ein Maul voll des frischen Grases zu erhaschen, das gerade eben durch die tote Schicht des letzten Jahres lugte. Irgendwann hatten auch meine fleischlichen Gelüste sich gewandelt – ich spürte heftigen Hunger. Die Sonne stand hoch am Himmel und hatte den Zenit schon überschritten. Ich befand mich seit Stunden hier draußen und hatte bereits vor langer Zeit mein Frühstück verdaut. Und da war noch Elizabeth, die sich sicher fragte, ob ich abgeworfen worden sei. Sie liebte Pferde ebenfalls, aber traute Rolly nicht zu, dass er sich benahm.
    Ich brachte ihn dazu, sich umzudrehen und die Anhöhe, die um den Kessel herumführte, zurückzulaufen, heimwärts.
    Da das Ross wertvoller war als der Reiter, kümmerte ich mich selbst um Rolly, als wir die Stallungen erreicht hatten. Dies war eigentlich die Arbeit der Diener. Ich hätte einfach gehen und sie den Stallburschen überlassen können, und niemand hätte zweimal darüber nachgedacht. Insbesondere Mutter. Ich war zum Herrn erzogen worden und konnte mir ihr Missfallen darüber, mich niedere Aufgaben erledig en zu sehen, deutlich vorstellen. Aber wenn es um Pferde ging, war es sehr klar, dass diese Arbeit nicht im Geringsten für mich geeignet war. Eine doppelte Herausforderung, fand ich und summte vor Vergnügen. Jericho war nicht da, sonst hätte er mir bereitwillig geholfen – falls ich ihn darum gebeten hätte. Ich beeilte mich, und ehe viel Zeit vergangen war, war ich schon auf dem Weg zur Küche, um der Köchin etwas Essen abzuschwatzen.
    Jemand zischte von der Hausecke her. Elizabeth stand dort, die Augen komisch weit aufgerissen und die Lippen zusammen-gepresst, und winkte mir zu, zu ihr zu kommen. Es schien dringend zu sein. Meine Neugierde gewann die Oberhand über meinen Hunger.
    »Was ist los?«, fragte ich sie, während ich hinüberlief.
    »Nicht so laut«, drängte sie, griff nach meinem Arm und zog mich um die Hausecke. Sie entspannte sich sichtlich, als wir außer Sichtweite der Küche waren.
    »Was ist los?«, wiederholte ich, nun ihr heiseres Flüstern nachahmend.
    »Mutter war zornig, dass du das Mittagessen versäumt hast.«
    Ich machte meinen Gefühlen Luft, indem ich einen wütenden Seufzer ausstieß, und erhob meine Stimme wieder zu normaler Lautstärke. »Verdammnis, ich bin erwachsen und kann über meine Zeit frei verfügen. Darüber hat sie sich doch noch nie aufgeregt.«
    »Ja, aber sie wollte mit dir über Cambridge reden.«
    »Sie hat dir all den Unsinn erzählt?«
    »Außerordentlich detailliert. Sie scheint schon ganz genau beschlossen zu haben, wie du deine nächsten Jahre verbringen wirst, bis hin zur letzten Minute.«
    »Wie überaus freundlich von ihr.«
    »Sie ist in der Küche mit Mrs. Nooth, um mit ihr die nächsten Mahlzeiten zu besprechen, und ich dachte, du wolltest ihr sicher nicht begegnen.«
    Ich nahm eine von Elizabeths Händen in meine und verbeugte mich feierlich darüber. »Dafür, liebe Schwester, hast du meine unsterbliche Dankbarkeit, aber ich verhungere und muss etwas essen. Ein Mann kann sein Leben kaum damit verbringen, in Furcht vor seiner eigenen Mutter herumzulaufen.«
    »Ha! Das ist keine Furcht, sondern nur die Vermeidung einer unnötigen Unannehmlichkeit.«
    Sie hatte wohl Recht. Ich wollte der Frau wirklich nicht mit leerem Magen begegnen. Eine Alternative musste überlegt werden, aber nicht hier draußen. Der Tag war ein wenig wärmer geworden, aber Elizabeths Hand war eiskalt . »Lass uns hinein gehen, du frierst ja. Wo ist dein Umhängetuch?«
    Sie zuckte gleichgültig mit den Achseln. »Oben irgendwo. Das sagst ausgerechnet du. Sieh dich an: Du reitest den ganzen Morgen ohne Hut oder gar Handschuhe. Es würde dir recht geschehen, wenn du Rheuma bekommen würdest, Gott bewahre.«
    Ich
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