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Der rote Prophet

Der rote Prophet

Titel: Der rote Prophet
Autoren: Orson Scott Card
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wenigen hundert seiner eigenen Shaw-Nee. Hier und dort leistete ein Stamm noch Widerstand; die meisten aber verzweifelten und flohen in den Wald, wohin ihnen kein Weißer folgen konnte. Old Hickory führte persönlich den letzten Ansturm gegen Ta-Kumsaws hölzerne Festung.
    Es schien, als würden die Kugeln von allen Seiten auf sie niederprasseln. Doch Ta-Kumsaw stand aufrecht da und feuerte seine Männer an, mit den Musketen zu kämpfen, die sie den gefallenen Amerikanern entwendet hatten.
    Fünfzehn Minuten lang, die wie eine schiere Ewigkeit wirkten, kämpfte Ta-Kumsaw wie ein Wahnsinniger, und seine Shaw-Nee kämpften und starben neben ihm. Ta-Kumsaws Körper blühte von scharlachfarbenen Wunden; das Blut strömte von Rücken und Bauch. Schlaff hing ein Arm von seiner Seite herab. Niemand wußte, woher er die Kraft hatte, stehenzubleiben, so viele Wunden hatte er sich schon zugezogen. Doch Ta-Kumsaw war aus Fleisch und Blut wie jeder andere Mann, und schließlich fiel auch er in der raucherfüllten Dämmerung, von einem halben Dutzend Wunden niedergestreckt.
    Als Ta-Kumsaw fiel, ließ das Feuer nach. Es war, als hätten die Amerikaner gewußt, daß sie nur diesen einen Mann zu töten brauchten, um den Kampfgeist der Roten auf alle Zeiten zu brechen. Die wenigen überlebenden Shaw-Nee-Krieger krochen im Rauch und der Dunkelheit davon, um die bittere Nachricht von Ta-Kumsaws Tod in jedes Dorf der Shaw-Nee zu tragen. Die große Schlacht war ein hoffnungsloses Unterfangen gewesen; man konnte dem weißen Mann nicht trauen, ob er Franzose war oder Amerikaner, so daß Ta-Kumsaws großer Plan niemals hätte gelingen können. Und doch erinnerten die Roten sich daran, daß sie sich wenigstens für eine Weile unter der Führung eines großen Mannes vereint hatten, daß sie zu einem einzigen Volk geworden waren und vom Sieg geträumt hatten. Und so erinnerte man sich Ta-Kumsaws in Liedern, als ganze Dörfer und Familien nach Westen über den Mizzipy zogen, um sich dem Propheten anzuschließen. Man gedachte seiner in Geschichten, die man sich an Kaminen erzählte; Familien erinnerten sich an ihn, die die Kleidung der Weißen trugen und auch ihre Arbeit taten. Doch immer noch wußten sie, daß es einst eine andere Art zu leben gegeben hatte und daß der größte aller Roten im Walde ein Mann namens Ta-Kumsaw gewesen war.
    Doch es waren nicht nur die Roten, die sich an Ta-Kumsaw erinnerten. Noch während sie ihre Musketen auf seine schattenhafte Gestalt im Wald abfeuerten, bewunderten die amerikanischen Soldaten ihn. Er war ihnen ein großer Held aus alter Zeit. Im Grunde ihres Herzens waren die Amerikaner alle Bauern und Ladenbesitzer. Ta-Kumsaw verkörperte für sie Figuren wie Achilles oder Odysseus, Cäsar oder Hannibal, David oder die Makkabäer. »Er kann nicht sterben«, murmelten sie, als sie mitansahen, wie er ihren Kugeln trotzte. Und als er schließlich doch fiel, da suchten sie nach seinem Leichnam und fanden ihn nicht. »Die Shaw-nee haben ihn mitgeschleppt«, entschied Old Hickory, und dabei ließ man es bewenden. Er ließ sie nicht einmal nach dem Renegado-Jungen suchen, weil er davon ausging, daß ein solcher weißer Verräter sicherlich ebenso untreu sein würde wie die Franzosen und sich während des Kampfs davonstehlen würde. Laßt es, sagte Old Hickory, und wer wollte dem alten Mann schon widersprechen? Hatte er nicht den Sieg für sie errungen? Hatte er nicht den Widerstand der Roten ein für alle Male gebrochen? Old Hickory, Andy Jackson – sie wollten ihn am liebsten zum König machen, doch sie würden sich eines Tages mit dem Präsidentenamt begnügen müssen. Bis dahin aber konnten sie Ta-Kumsaw nicht vergessen, und so breiteten sich Gerüchte aus, daß er irgendwo doch noch am Leben sei, von seinen Wunden verkrüppelt, daß er darauf warte, wieder gesund zu werden und eine große rote Invasion von jenseits des Mizzipy anzuführen, aus den Sümpfen des Südens oder aus irgendeiner geheimen, verborgenen Festung in den Appalachees.
    Während der ganzen Schlacht arbeitete Alvin mit aller Kraft daran, Ta-Kumsaw am Leben zu erhalten. Mit jeder neuen Kugel, die das Fleisch durchbohrte, heilte Alvin zerfetzte Adern, versuchte er, Ta-Kumsaws Blut in seinem Körper zu behalten. Für den Schmerz hatte er keine Zeit, doch Ta-Kumsaw schienen die schrecklichen Wunden nichts auszumachen. Alvin kauerte in seinem Versteck zwischen einem stehenden und einem umgestürzten Baum und beobachtete Ta-Kumsaw nur mit dem
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