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Der Roman eines Konträrsexuellen

Der Roman eines Konträrsexuellen

Titel: Der Roman eines Konträrsexuellen
Autoren: Emile Zola
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kostete, aber infolgedessen auch besonders »chic« war. Man hatte ihm übrigens auch gesagt, daß die Anstrengung bei dieser Waffe viel erträglicher wäre, und bevor ich das 19. Jahr erreicht hatte, trat ich in ein Regiment ein, das in einer kleinen Stadt in Garnison lag, in einiger Entfernung von den kommandierenden Generälen. Die Offiziere, so versicherte man uns, seien sehr gut erzogen und behandelten die Freiwilligen gut.
    Ich hatte stets einen wahren Horror vor dem Militärleben gehabt; die Anstrengung, der Zwang, die schreckliche Disziplin erschreckten mich sehr, und ich hätte ich weiß nicht was gegeben, um von der furchtbaren Unannehmlichkeit befreit zu werden, ein ganzes Jahr auf diese unangenehme Weise verbringen zu müssen. Die erste Zeit erschien mir wirklich sehr hart, doch nach und nach gewöhnte ich mich an dieses Leben, dem es übrigens nicht an Zerstreuungen fehlte.
    Ich hatte mehrere Kameraden, auf ihren Adel und ihren Reichtum sehr eingebildete kleine Herrchen, mit denen ich sehr schnell Freundschaft schloß. Jedermann gewann mich bald lieb, denn mein hübsches, kindliches Gesicht bildete einen seltsamen Gegensatz zu der Husarenuniform, die ich trug und die mich als ein verkleidetes Mädchen erscheinen ließ.
    Die zahlreichen Beschäftigungen, der Unterricht in der Reitbahn und das Leben in freier Luft beeinflußten in sehr günstiger Weise meine Gesundheit und meine Stimmung. Die Festtage, die langen Spazierritte, die Soupers und Diners söhnten mich schließlich mit dem Militärleben aus, das die Gefälligkeit der Offiziere uns ziemlich behaglich gestaltete.
    Was uns besonders entzückte, war der Umstand, daß wir den einfachen Soldaten gegenüber die Prinzen spielen durften und uns diesen armen Leuten gegenüber in allem als überlegen zeigen konnten.
    Wir schliefen mit unserer Einheit zusammen in großen, geräumigen Sälen. Wir hatten gewünscht, ein Zimmer für uns zu bekommen, doch das war unmöglich, und ich habe es später auch nicht bedauert.
    Der Unteroffizier, der bei uns schlief, war ein alter, äußerst langweiliger und verdrießlicher Brummbär, auf den wir nur wenig Einfluß hatten und der aus Furcht, er könne sich kompromittieren und dürfe uns nicht mehr nach Belieben anfahren, nichts von uns annehmen wollte. Die anderen Unteroffiziere waren dagegen immer sehr liebenswürdig zu uns und wiesen nie das zurück, was wir ihnen anboten, auch kamen sie stets zu den Diners, zu denen wir sie einluden.
    Bei diesem bewegten und arbeitsamen Leben hatten sich meine Sinne beruhigt, und die unaufhörlichen Halluzinationen, von denen ich so lange verfolgt worden war, wurden weniger und hörten fast ganz auf. Wir waren zu müde, um an etwas anderes als an unsere Pflicht zu denken. Die Männer, welche mit uns zusammenschliefen, führten mich nicht in Versuchung. Sie waren zu plump, zu häßlich, zu stupide, um mir irgendwelches Verlangen nach ihnen einzuflößen. Außerdem waren sie schmutzig und haben für mich nie eine Versuchung dargestellt.
    Sechs Monate waren verflossen, und es kam der Frühling. Ein Teil des Regiments wechselte die Garnison, und andere Einheiten nahmen die Stelle derjenigen ein, welche abzogen.
    In unserem Saale fand an dem Tage, an dem die Neuen eintrafen, eine wahre Revolution statt. Ich benutzte die Gelegenheit, um den Platz zu wechseln und mein Feldbett in den abgelegensten und bequemsten Winkel des Saales zu stellen. Meinem Bette gegenüber ließ sich der Unteroffizier nieder, der die eben eingetroffene Einheit befehligte.
    Dieser Mann war jung (25 bis 26 Jahre) und besaß ein sehr hübsches Gesicht. Ich achtete nicht besonders auf ihn und kümmerte mich anfangs auch nicht viel um ihn. Er war sehr schweigsam und bescheiden, rüffelte die Soldaten nur wenig und sprach außerhalb des Dienstes fast gar nicht. Er befehligte seine Einheit mit viel Geschick und Energie, und ich bewunderte in der Folge die reizende und ritterliche Manier, mit der er sein Pferd ritt. Er ließ es auf dem Waffenplatz Gräben und gefährliche Hindernisse überspringen, vor denen ich eine schreckliche Angst hatte. Das erste Gefühl, das ich ihm gegenüber hegte, war Eifersucht und Neid. Er kam mir, der ich hager und klein war, sehr groß vor und erschien mir mutiger und gewandter als wir alle; er hatte eine Art zu kommandieren, um die ich ihn beneidete und die ich niemals haben werde.
    Gewöhnlich legte er sich sehr früh zu Bett, während meine Kameraden und ich ins Theater gingen oder in der
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