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Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)

Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)

Titel: Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Poore
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gingen auf die Piepser und Mobiltelefone von wenigstens vier verschiedenen Ärzten, zwei zwielichtigen Lebensversicherungstypen und einem Korrespondenten des Prominews-Channels.
    Noch bevor irgendjemand die Nachricht erhielt, hatte die Welt sich bereits verändert. Es geschah unmerklich, wie diese Dinge eben geschehen, und die Folgen wurden erst später ersichtlich.
    Die Welt ohne ihren rebellischen Engel war eine Welt, in der jeglicher Rebellion der Saft abhandengekommen war. Es war in gewisser Hinsicht eine bessere Welt und in anderer Hinsicht auch wieder nicht.
    Es war eine Welt, die weniger verbunden war mit den Dingen, die Rebellen entstehen lassen.
    Eine Welt, die sich hohl anfühlte und leer. In der die Menschen sich leer und hohl fühlten. Sie sahen mehr fern, schliefen häufiger vor ihren Fernsehern ein und machten sich weniger Sorgen – was eigentlich ganz in Ordnung scheint, bis man überlegt, dass auch Tote sich keine Sorgen machen. Tote erröten nicht, und Tote bringen sich nicht in Verlegenheit. Sie essen keine Dinge, die sie nicht essen sollten, und sie weigern sich auch nicht, rechtzeitig zu Bett zu gehen. Sie melden sich nicht krank, wenn sie nicht krank sind. Sie sind nicht fasziniert von Feuerwerkskörpern. Sie feiern nicht, weil sie nichts zu feiern haben. Vor allem haben sie nichts geleistet, das ein Feiern rechtfertigen würde.
    Die Welt ohne den Teufel war eine Welt ohne eine bestimmte Art von Spaß. Von der Sorte, die man für sich selbst behält – beispielsweise ein Faible für Frauenschuhe oder das Essen von Dreck. Eine Welt, in der die Bedürfnisse seicht sind und gedämpft, in der man nicht mehr unbedingt auf den Mars wollte, nicht mehr unbedingt wieder in Form kommen wollte, es nicht unbedingt von hinten treiben wollte.
    Zurückgeblieben waren die Fehler, die der Teufel begangen hatte, und die Sauereien, die er hier und da angestellt hatte. Oder Dinge wie ständig in Eile sein. Dinge wie mit einem gebrochenen Herzen leben, bis man sich so sehr an das gebrochene Herz gewöhnt hat, dass es sich wieder normal anfühlt. Die Abwesenheit des Teufels, sein Wegsein breitete sich über die Menschheit aus wie eine biblische Plage, die jeden noch so entfernten Winkel der Erde erfasste.
    Es war eine Welt mit weniger Schreien, weniger Wegstoßen, weniger Ellbogen. Weniger Alle-Knöpfe-im-Lift-drücken, bloß weil man es konnte. Es würde eine Welt sein, in der die Menschen keine Pyramiden bauten, keine Empire State Buildings oder Autos, die mit altem Pommes-frites-Fett fuhren.
    Es war eine Welt, so schal wie ein stiller Teich. Die großen Fische würden sich an den kleinen totfressen. Es war eine Welt, in der man bestenfalls darauf hoffen durfte, dass das Gefressenwerden nicht ganz so weh tat. Eine beschissene Art von Hoffnung, zugegeben, die sich anfühlte wie ein schlechter Witz. Doch in einer Welt ohne Rebellen musste es genügen, weil es niemanden mehr gab, der den Mumm hatte, sich etwas Besseres auszumalen.
    ***
    Der Himmel auf der anderen Seite war für den Teufel, als würde er ein altes Fotoalbum aufschlagen und die Bilder betreten.
    Über ihm die explodierenden Sterne.
    ( Es werde Licht. )
    Unten, knöcheltief, das Wasser.
    Ringsum kreisend Chor um Chor göttlicher Musik.
    Der Teufel wandte sich dem hellsten aller Lichter zu, ging neben ihm her.
    Als er sprach, geschah dies mit mehr Frieden und Freundlichkeit in der Stimme als jemals zuvor.
    Er sagte nur ein Wort. »Nein.«
    ***
    Sein Herz zerbrach wie ein heißer Stab, als er es sagte, doch er meinte es ernst.
    Er sollte seine Erde zurücklassen? Und wenn sie noch so dumm war und hoffnungslos und zum Untergang verurteilt und dazu, in ihrem eigenen Dreck zu ersticken, war sie zehnmal besser als das dort .
    Der Himmel war der einzige Ort, der womöglich noch schlimmer war als Dummheit und Verdammnis.
    Er war friedlich, doch es war jene Art von Frieden, die aus Unveränderlichkeit geboren wurde.
    Das Licht pulsierte. Es sah irgendwie angewidert aus, und es wandte sich naserümpfend ab.
    Der Tunnel kam und saugte den Teufel auf wie ein Staubsauger, um ihn wie einen Meteor brennend zurück auf die Erde zu schicken, zurück in sein Krankenhausbett in Ohio.
    Piep , sagte die Maschine neben seinem Bett. Piep, piep .
    »Memory?«, röchelte er.
    Stille.

45
Die
Kolonie
Ohio, und dann irgendwo tief
in der Wildnis, 2005
    Als er sich stark genug fühlte, ließen sie ihn gehen.
    Sie wollten ihn in einem Rollstuhl nach draußen bringen. Er weigerte
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