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Der Protektor (German Edition)

Der Protektor (German Edition)

Titel: Der Protektor (German Edition)
Autoren: Christina Czarnowske
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merkwürdige Serie. Ich finde die Nummern der Tiere und verfolge sie Tag für Tag. Ihre Ausgabe im Vivarium, ihr Eintreffen im Labor, den Anfang des Versuchs. Dann die Bestrahlung.
    Erneut lege ich die Fotokopien von Ivarssons Protokollen mit den abgehakten Gammastrahlendosierungen vor mich hin. Ich weiß, dass darin kein Fehler ist, doch mich quälen ständig Zweifel. Die Tiere können vertauscht, die Protokolle gefälscht worden sein. Sie sind es nicht. Ivarsson hat ja damals die Ergebnisse nicht gekannt. Und warum sollten sie auch gefälscht worden sein? Alles lag ja in Bressons Händen. Und jetzt liegt es in meinen Händen. Der Epilog wird sich nicht hier, über diesen Seiten und Fotokopien abspielen, sondern draußen. Die Würfel sind gefallen, und es gibt kein Zurück. Weder für diesen Peet van Aelst, der die Indizien für den Mord an Bresson in seiner Garage, sicher untergebracht hat, noch für den sonnengebräunten Mann mit den eng stehenden Raubvogelaugen, der irgendwo im Halbdämmer friert. Auch nicht für den anderen, der in diesem Augenblick vielleicht wie ich dasitzt und die Chancen überschlägt, die ihm geblieben sind. Es ist Zeit. Ich stecke die Fotokopien und Blätter ein, sehe mich um, ob ich nichts vergessen habe. Nur bei Doktor Falk muss ich noch vorbeigehen, um ihr die Journale wiederzugeben. Und dann – hinaus. Es wäre nicht gut, wenn sie zu lange auf mein Erscheinen warten müssten.
    12. Kevin Nielsen von der Radiologie
     
    Der Kleine ist selbstverständlich noch da. Der Trick in der Allee hat ihn Vorsicht gelehrt, jetzt folgt er mir in größerem Abstand. Die Straßenlampen werfen ihr Licht auf den feuchten Asphalt der Alleen, sodass ich ihn mir von Zeit zu Zeit ansehen kann. Ich stelle mir vor, was für eine Wut er auf mich hat. Er ist um die Türen der benachbarten Gebäude gestrichen, hat sich Vorwände für Gespräche mit den misstrauischen Pförtnern ausgedacht oder hat einfach fröstelnd vor den verschlossenen Türen gestanden. Jetzt geht er mit dem Köfferchen am Ende der Allee und ist voller Hass. Aber er darf sich keine Gefühle leisten, er muss aufpassen. Auch ich muss aufpassen. Jeder Schritt bringt mich dem Ungewissen näher – der Falle, die ich aufgebaut habe. Vielleicht ist es gar keine Falle, vielleicht waren meine Schachzüge falsch, und irgendwo hinter der nächsten Biegung steht der Bär vor mir oder ein anderer, mir Unbekannter. Dann entscheidet sich alles in jenen Bruchteilen eines Augenblicks, die für gewöhnlich zu kurz sind. Die Allee ist zu Ende, ich überquere die kleine Grünfläche bei den alten Mauerresten und komme auf dem Parkplatz heraus. Der Volvo steht zwischen anderen Autos – die meisten sind noch in den Kliniken. Ich trödle ein bisschen, suche den Schlüssel in der Tasche, zwischendurch wandert mein Blick von Auto zu Auto. Ja, der blaue Ford ist ebenfalls hier. Sie warten auf mich. Er steht so da, dass ich nicht erkennen kann, wer hinter dem Lenkrad sitzt. Aber das ist im Moment unwichtig. Ich schließe den Volvo auf, setze mich, versuche zu starten, und… „Keine Bewegung!“ Ich erstarre. Die Hand mit den Schlüsseln ist wie gelähmt. Kein Gedanke, keine Bewegung. „Im Auto ist eine Sprengladung“, sagt die Stimme. „Beim geringsten Fluchtversuch jagen wir es in die Luft.“ Das ist es. Die Falle, in der ich jetzt sitze. Ich rühre mich nicht, drehe nur die Augen. Die Stimme kommt vom rechten Sitz. Da liegt eine kleine Zündholzschachtel auf dem dunklen Leder. Ein Mikrofon mit Lautsprecher. „Hören Sie gut zu!“, fährt die Stimme fort, eine harte Männerstimme mit starkem Akzent. „Starten Sie und fahren Sie langsam den Boulevard hinunter. Geradeaus, bis zum Platz. Wiederholen Sie!“ „Geradeaus bis zum Platz“, sage ich. Im Mund habe ich einen widerlichen metallischen Geschmack. Die Hand legt sich auf den Schalthebel. Die Scheinwerfer. Die allernotwendigsten Bewegungen, nichts Überflüssiges. „Fahren Sie los!“ Der Volvo setzt sich in Bewegung. Ich drehe am Lenkrad und biege in die Straße ein. Im Rückspiegel sehe ich, dass hinter mir ein schwerer Citroën den Parkplatz verlässt. Das ist nur für einen Augenblick. Seine Scheinwerfer blitzen im Spiegel und blenden mich. Ich muss nach vorn schauen. Also ist es nicht der Ford. Den haben sie dort stehen lassen, um mich zu täuschen. Der Boulevard ist hell, zu beiden Seiten ziehen sich Zäune und Bäume hin; vor dem Abendhimmel wirken sie wie aus Stanniol geschnitten. Die
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