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Der Privatdozent

Titel: Der Privatdozent
Autoren: Alex Seinfriend
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Raum verlassen haben, und packt derweil gemütlich seinen Kram ein.
    „Machen Sie bitte die Tür hinter sich zu”, ruft er dem letzten Studenten nach.
    Mir ist ganz schön schlecht. Kann aber auch sein, dass ich Hunger habe.
    „So, und jetzt zu Ihnen”, sagt der Kehlmann endlich und schaut mich bohrend an.
    „Ja”, stimme ich nach einer Weile zu, weil er nicht weiterspricht.
    „Ist es so schwierig, pünktlich hier zu sein? Die anderen schaffen das doch auch!”
    „Die anderen …”, sage ich verächtlich, weil mich der Spruch schon von meiner Mutter so tierisch ankotzt. „Was hab ich mit den anderen zu tun?”
    „Halten Sie sich mal im Zaum!”, blafft der Kehlmann mich plötzlich an. „Das ist hier Ihre Möglichkeit, eine Entschuldigung vorzubringen.”
    „Ich habe aber keine Entschuldigung. Ich war zu spät und fertig.” Ich recke das Kinn ein wenig hoch, um meinen Standpunkt zu unterstreichen.
    „Wenn das so ist, dann gilt die Stunde heute als unentschuldigt”, entgegnet der Kehlmann mit gespielter Gelassenheit. „Ihr Name bitte?”
    Entgeistert schaue ich zu, wie er die Anwesenheitsliste hervorkramt und einen Stift nimmt.
    „Name?”, wiederholt er fordernd.
    „Falkner”, sage ich und es klingt ein wenig trotzig.
    Der Kehlmann geht die Liste durch, bis er mich findet. „Finn Falkner”, liest er ein wenig belustigt.
    „Was dagegen?”, platze ich heraus.
    Einen Moment hält der Kehlmann inne, dann streicht er meinen Namen aus der Liste. „Nein, nichts dagegen”, sagt er triumphierend.
    Okay, das heißt wohl, dass ich den Kurs verlassen muss, wird es mir plötzlich klar. Und das wiederum bedeutet, dass ich schon wieder ein Semester mit zu wenig Kursen habe und am Ende wohl zaubern muss, wenn ich nicht noch ein Zusatzsemester dranhängen will. Bah, was ein …
    „Arschloch!”, spreche ich den letzten Teil meines Gedankens laut aus.
    Einen Augenblick schaue ich den Kehlmann sicher genauso überrascht an, wie er mich. Ich habe doch jetzt nicht wirklich einen Dozenten ‚Arschloch’ genannt! Ich muss wirklich meinen Verstand verloren haben! Andererseits hat es der Kerl auch nicht anders verdient. Irgendjemand muss ihm doch mal die Meinung sagen! Und so wie der gerade glotzt, hat sich das bislang noch niemand getraut. In mir kribbelt es. Die Situation ist einfach zu komisch. Ich bin zu angespannt. Das ist alles zu surreal. Ich fange an zu lachen. Doch noch bevor ich mit meinem Gelächter richtig herausbrechen kann, knallte es auch schon und mein Kopf fliegt zur Seite. Ich bin irritiert. Was ist passiert? Dann fängt meine Wange an zu brennen und ich begreife langsam, dass der Kehlmann mich tatsächlich geschlagen hat! Ich schüttle den Kopf und fasse mir unwillkürlich an die Wange. Ich sehe meinen Dozenten wohl ziemlich ungläubig an. Und er guckt mindestens genauso zurück.
    „‘tschuldigung!”, sagt er schließlich und holt mich damit in die Realität zurück.
    Plötzlich habe ich nur noch einen einzigen Gedanken: Dieses Arschloch hat mich geschlagen! Und bevor ich mir überhaupt klar werden kann, was das alles bedeutet, gehe ich auch schon auf ihn los. Ich sehe, dass er seine Hände schützend vor sich hält, aber ich bin jetzt völlig außer mir. Ich will diesem Kerl nur richtig eins in die Fresse schlagen! Verwischt sehe ich, wie er den Kopf duckt, damit ich nicht seine hässliche Visage treffe. Aber ich bin schnell und setze mit der linken Faust nach, breche durch die mädchenhafte Deckung und lande knapp unter seinem rechten Auge. Dann schubst er mich plötzlich weg, kommt aber sofort hinterher. Wieder überrascht er mich, als er jetzt seinerseits die Fäuste einsetzt. Er trifft mich am Oberarm, während ich noch zurücktaumle. Irgendwo in meinem Kopf schwirrt der einsame Gedanke herum, dass das doch alles nicht wahr sein kann. Dann wehre ich auch schon den nächsten Schlag vom Kehlmann ab. Ich pralle mit dem Rücken gegen die Wand. Scheiße! Doch schon ducke ich mich und werfe mein ganzes Körpergewicht gegen den Blödmann. Krachend gehen wir zu Boden. Ich spüre seine starken Arme, die meine festhalten, damit ich ihm keine reinhauen kann. Entschlossen versuche ich, mich seinen Griffen zu entwinden. Ich bin oben, eindeutig die bessere Position. Doch kaum habe ich die Rechte frei, wirft mich der Kehlmann herum. Plötzlich liegt er auf mir und schnaubt mir wütend ins Gesicht, während er meine Handgelenke auf den Boden drückt. Verdammt, damit hat er wohl gewonnen, wenn ich nicht
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