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Der Prinz der Skorpione: Roman - Der Schattenprinz 3 (German Edition)

Der Prinz der Skorpione: Roman - Der Schattenprinz 3 (German Edition)

Titel: Der Prinz der Skorpione: Roman - Der Schattenprinz 3 (German Edition)
Autoren: Torsten Fink
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unterbrochen. Der Alte war wirklich wahnsinnig, wenn er sich auf dieses schmale Felsband hinauswagte. War das der Pfad? Sie spähte hinab in die Tiefe. Das Meer brandete tief unter ihr gegen die Kreidefelsen. Sie konnte gut genug klettern, um diesen Weg zu nehmen, aber es schien ihr ein unnötiger und gefährlicher Umweg zu sein.
    Sie reckte sich und kletterte den Felsen hinauf, der den Pfad hinaus über das Meer zwang. Vor ihr lag ein Plateau, spärlich mit grauem Gras bewachsen. Selbst hier, direkt an der Küste, ging kein Windhauch über die Insel der Toten. Sie entdeckte eine kleine Pyramide an der äußersten Spitze des Felsens, aufgeschichtet aus losem Geröll und mit einem Rutenbündel versehen. Stoffbänder hingen schlaff von den Steinen.
    Wenn sie es richtig verstand, hinderten die Symbole und Rutenbündel wie die Linien eines Beschwörungskreises das Böse daran, die Ebene zu verlassen. Ihre Lehrer hatten ihr nie verraten, ob es wirklich so war, aber warum sonst hätten sie den Alten, der auch um die Festung der Schatten herumschlich, dulden sollen? Wenn Jamade jetzt daran zurückdachte, erschien es ihr, als seien die Meister immer etwas weniger angespannt gewesen, wenn sie sich außerhalb dieses unsichtbaren Bannkreises bewegten, den der verrückte Alte um die ganze Insel gezogen hatte.
    Ihr Problem war, dass es hier kein »A ußerhalb« gab, es sei denn, man rechnete den Abgrund jenseits des Felsens dazu. Jamade spähte über das Plateau. Sie suchte nach einem Anzeichen für die Gefahr, dem schwachen Flimmern, das manchmal erschien, wenn einer der unheimlichen Wächter sich näherte, die ruhelos über die Insel zogen, und sie lauschte auf das leise Knistern, das damit einherging. Aber es war nichts zu sehen und zu hören– außer den Wellen, die tief unter ihr an die weißen Felsen brandeten. Die Sache gefiel ihr trotzdem nicht.
    Sie riss sich zusammen und sprang auf das Plateau, auch weil sich das Zwielicht, das rot und schwer über der Insel hing, zusehends verfinsterte. Sie wollte dieses unsichere Stück des Weges hinter sich bringen, bevor es dunkel wurde. Auf der Hälfte des Weges ragte eine weitere Pyramide mitten aus dem Plateau hervor. Ein gutes Zeichen.
    Instinktiv lenkte Jamade ihre Schritte in diese Richtung. Als sie näherkam, bemerkte sie, dass irgendetwas nicht stimmte. Es war keine Pyramide, es war der Oberkörper eines Menschen, der dort aus dem massiven Fels ragte. Jamade stockte der Atem. Sie schreckte entsetzt zurück und umrundete den Körper in sicherem Abstand. Sie wollte nicht hinsehen, aber sie konnte nicht anders. Täuschte sie die Abenddämmerung? Nein, es war der Junge aus Tenegen, der vor über zehn Jahren aufgebrochen war, um den verbotenen Weg nach Aban zu erkunden. Sein Unterleib steckte im Fels.
    »D er Schlund«, flüsterte sie heiser. Sie kannte mehrere Orte, an denen dieser Massartu, dieser Wächter, Unheil gewirkt hatte. Er verschlang Bäume, Skelette, Kriegsmaschinen, wo immer er sich zeigte. Jamade erinnerte sich an ein Haus in einem der verlassenen Dörfer, dessen eine Hälfte bis zum Dach im Erdreich versunken war, während die andere Hälfte beinahe unberührt in der Ebene stand. Noch nie aber hatte sie gesehen, dass der Schlund einen Menschen verschlungen hatte. Doch so musste es gewesen sein: Der Wächter hatte den jungen Schatten halb in den Fels gezogen und dann zurückgelassen. Jamade konnte sich das Grauen kaum vorstellen, das der Junge empfunden haben musste, als sein Leib bis zur Hüfte mit dem Fels verschmolzen war. Ob er noch lange gelebt hatte?
    Sie wandte sich ab. Ihr Blick fiel auf einen menschlichen Arm, der aus dem Stein ragte, und etwas weiter schien ein Kopf im Gestein zu stecken, dessen Züge die Dämmerung gnädig vor ihr verbarg. Keiner dieser Körper war verwest. Jamades Nackenhaare stellten sich auf. Wenn es mehrere Leichen an ein und demselben Ort gab, dann bedeutete das, dass der Schlund sich hier öfter aufgetan hatte– und noch auftat. Sie drehte sich um und rannte. Ein Kribbeln kroch über ihre Haut. Ein leises Knistern wehte durch die Dämmerung. Der Wächter war nah, ganz nah. Jamade rannte, und sie blickte nicht zurück.
    ***
    Das Land vor ihnen sah aus wie mit einem gewaltigen Pflug aufgeworfen, nur, dass es keine Reihen gab, lediglich wirre Linien.
    »D er Totengräber. Das ist sein Zeichen.«
    »W er?«
    »E iner der Wächter. Er war hier, und zwar oft«, erklärte Sahif.
    Ela nickte, sie wirkte nervös. »E s wird dunkel,
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