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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe
Autoren: dtv
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Vormittag
     bei Gonçalves im Krankenhaus. Er hat den Selbstmordversuch überlebt, aber er ist fertig, ein für alle Mal.«
    Dona Madalena stand auf. »Noch etwas Soße vielleicht?«, fragte sie mit ihrem charmantesten Lächeln. »Findest du nicht, dass
     das Fleisch ein wenig saftiger sein könnte?«
    Diese Frau ist einfach umwerfend, dachte Nicolas. Schade eigentlich. »Nein, das Fleisch ist perfekt.«
    »Hast du auch etwas gehört?«, fragte sie und horchte auf. Sie ging zur Haustür und öffnete sie. Nicolas trat ans Fenster und
     sah, dass ein Wagen unten auf dem Weg stand. Es war nicht Veloso und auch kein Fluchtfahrzeug. Es war Happe, der mit seinem
     Ersatz-Ferrari die Piste blockiert hatte.
    Dona Madalena ging in die Küche. Nicolas hörte ihren Schritt, hörte die hohen Absätze auf den Terrakottafliesen klappern.
     Sie kam mit der halb gefüllten Sauciere zurück, und sie aßen schweigend weiter. Sie sah ihn ab und zu an, und ihre Augen trafen
     sich. Bei anderer Gelegenheit hätte er ihr durchaus verfallen können. War das eine dieser Frauen, für die man alles tat? Nicolas
     wurde es heiß unter ihrem Blick, ihm wurde schwindelig, aber er widerstand.
    |369| »Reicht das nicht? Das Haus hier, die Rente, das Auto?«, fragte er.
    Sie antwortete nicht. Nicolas tat es an ihrer statt. »Nein, natürlich nicht, ich habe nicht bedacht, dass ihr zu zweit seid,
     Veloso und du. Hat er dich darauf gebracht? Wie hieß er früher? Irgendwas mit Lima . . .«
    Sie räumte ab. Er sah sich nicht bemüßigt, auch nur einen Teller anzufassen. Sie hatte eingeladen, es war ihr Fest. Sie kam
     wieder mit einem Late Bottled Vintage Port von 1994 und den wunderbaren Törtchen, den Pastéis de Nata.
    »Das sind die Originale, sie stammen aus der ›Confeitaria de Belém‹ in Lissabon. Es sind die besten . . .«
    »Traumhaft«, sagte Nicolas, nachdem er abgebissen hatte. Sie waren besser als die von Dona Firmina. Die Teighülle war fest
     und zerbrach wie frisch gebackener Blätterteig, die Füllung war nicht zu süß, weder flüssig noch fest, gerade richtig.
    »Aber da gehört ein LBV dazu. Manche nehmen einen Tawny. Ich ziehe den Ruby vor, die Sahne zusammen mit der Fruchtigkeit des
     Ports. Probier einfach.«
    Draußen bellte Perúss, es klang heiser. Nicolas stand auf und trat mit dem Glas in der Hand ans Fenster. Der Hund saß im Mondschein
     vor den Weinstöcken.
    »Na, wie ist er?« Dona Madalena sah Nicolas an.
    Er hob das Glas an die Nase, roch daran, wollte trinken, roch wieder und blickte Dona Madalena an.
    »Trink! 1994 war ein wunderbares Jahr. Wir hatten viel Regen im Winter und durch die Kälte zur Blütezeit wurden die Trauben
     reduziert. Es ist ein fester und voller Wein geworden.«
    Nicolas stierte ins Glas. Der Wein war nicht in Ordnung. Hatte er es gerochen? Hatte er es in Dona Madalenas Augen gesehen?
     Er ließ das Glas langsam sinken.
    »Trink!«, sagte sie und stand auf, eine kleine silberne Pistole in der Hand.
    |370| Nicolas war nicht im Mindesten überrascht. »Was soll der Unsinn? Reicht nicht einer? Du kommst nicht mehr weg. De Lima ist
     über alle Berge. Gonçalves hat ausgepackt, Roberto wird es auch tun. Morgen ist die Exhumierung . . .«
    »Trink!«, sagte sie kalt. »Du wirst ihn trinken.«
    Nicolas war sicher, dass sie schießen würde. »Hast du es mit Friedrich auch so gemacht, oder hat er nichts gewusst?«
    »Er hat ihn vor dem Schlafengehen getrunken. Los, trink!«
    Nicolas sah sie völlig unbewegt an. Komischerweise fiel ihm plötzlich sein Freund Happe ein. Was er wohl in so einer Situation
     für einen Spruch auf Lager hätte? Unwillkürlich musste er lächeln.
    »Was gibt es zu grinsen? Trink!« Sie drohte mit der Pistole, und Nicolas schüttete ihr mit Schwung den Portwein ins Gesicht.
    Sie reagierte blitzschnell, riss die Pistole hoch und drückte ab. Dann war er bei ihr, rannte sie um, warf sich auf sie, packte
     ihren Hals und drückte zu. »Jetzt bringe ich dich um!«
    »Lass den Scheiß«, brüllte Happe von der Tür her, aber es waren nicht seine Worte, sondern ihr Blick, der ihm die Hände löste.
     Ihre Augen waren so voller Verachtung, es zeigte sich ein so abgründiger Hass, dass die Berührung schmerzte, und wie Blut
     floss der Ruby über ihr Gesicht.

|371| Epilog
    In der ersten Woche nach Dona Madalenas Verhaftung und dem Verschwinden von Dr. Veloso bekam Nicolas kaum ein Auge zu, ob
     er zum Abendessen eine Flasche Wein trank oder ob er nüchtern blieb. Er nickte
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