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Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)

Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)

Titel: Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
Autoren: Uli T. Swidler
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tun. Dann verschwand er in der Dunkelheit.

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    3.
    Roberto konnte seine Armbanduhr in der Dunkelheit nicht lesen, dafür waren die Glocken von San Domenico nicht zu überhören. Dreimal die große, einmal die kleine. 3.15 Uhr.
    Plötzlich Geräusche. Ein merkwürdig hohles Schaben. Und unregelmäßiges Poltern, hölzern, bedrohlich langsam, monströs. Franco und Roberto starrten in den Nebel.
    «Er kommt zurück, er kommt zurück», stammelte der Musiker. Roberto nestelte hektisch an seinem Gürtelholster. Che diamine , seine Pistole lag in der Schublade seines Schreibtisches in der Wache, zwischen der MagLite und der noch unangetasteten salsiccia piccante , der höllisch scharfen Wildschweinwurst. Die sich jetzt ganz gut als Schlagstock machen würde, so steinhart, wie sie war.
    Ein Schatten bildete sich im Nebel heraus, merkwürdig breit und unförmig. Und riesig. Verdammte Sackgasse, fluchte Roberto und tastete nach der Regenrinne an der Hausecke neben sich. Würde eine durchschnittliche italienische Regenrinne aus Kupfer stabil genug sein, um sein Gewicht auszuhalten? War er erst mal auf das Dach geklettert, dann konnte er leicht –
    «Roberto?», fragte der Schatten.
    Franco stieß einen spitzen Schrei aus.
    «Heilige Scheiße, Malpomena!» Roberto entspannte sich.
    «Höre ich da eine gewisse Panik in deiner Stimme?» Malpomena legte den riesigen Rollenkoffer, den sie im Schlepptau hatte, flach auf den Boden.
    «Wieso hast du so lange gebraucht? Du wohnst doch keine hundert Meter von hier entfernt», maulte Roberto.
    «Die rechtsmedizinische Untersuchung einer Leiche ist kein Pappenstiel, mein Lieber», antwortete Malpomena und begann, ihren Koffer auszupacken: ein Kamerastativ, einen schweren Akkuhandstrahler, ein 100er-Pack Gummihandschuhe, diverse forensische Fachbücher, sterile Gefäße und medizinische Instrumente, ein Diktiergerät und einen Helm mit Stirnlampe, wie ihn Höhlenforscher benutzen. Sie befestigte den Strahler auf dem Stativ und schaltete ihn ein. Grelles Licht beleuchtete den armen Ruggero Grilli in seiner ganzen verblichenen Masse. «Da haben wir ja unser Corpus Delicti.» Schnell schnallte sie sich noch zwei Knieschoner um, wie sie von Inlineskatern und Fliesenlegern benutzt werden, schaltete das Helmlicht an, ließ sich neben Ruggero auf die Knie sinken und tastete nach seiner Halsschlagader.
    «Tot.»
    «Ah, deswegen liegt er hier seit über einer Stunde auf dem Boden herum!», ätzte Roberto. «Das kam mir doch gleich komisch vor.»
    «Dein Sarkasmus ist der Situation nicht angemessen, mein Lieber.»
    «Dass der tot ist, war ja wohl klar.»
    Malpomena wurde plötzlich sehr giftig. «Jetzt hör mal zu, falls du es noch nicht gemerkt hast: Ich tu dir hier gerade einen Gefallen, weil Dottor Saltara, den man meiner Meinung nach ohnehin nicht zu den großen Leuchten in unserer Profession zählen darf, ein Rezepteschreiber, wenn du verstehst, was ich meine –»
    «Malpomena, bitte.»
    «– weil Saltara gerade nicht greifbar ist. Was meinst du denn, was ich um», sie warf einen Blick auf ihre riesige Digital-Analog-Armbanduhr, die sie als Ausdruck ihrer Individualität am rechten Handgelenk trug, «drei Uhr einundzwanzig an einem Novembermorgen normalerweise mache?»
    «Also, dass der Mann tot ist –»
    «Richtig. Ich schlafe. Und zwar befinde ich mich – und nicht nur ich, sondern alle menschlichen Lebewesen, die gegen 22 Uhr ins Bett gehen – zu der Zeit in der längsten REM-Phase einer jeden Nacht, wie die Professoren Aserinsky und Kleitman von der University of Chicago schon 1953 nachgewiesen haben. Das ist die Phase des intensivsten Träumens. Und warum träumt man, Roberto? Um die Anspannungen und Nackenschläge und Widrigkeiten und üblen Ereignisse, um all das bashing und mobbing , um all die deprimierenden Erlebnisse des vorangegangenen Tages zu verarbeiten und – hoffentlich! – in einen Zustand der Ruhe und Ausgeglichenheit zu überführen. Und in genau diesen Prozess hast du eingegriffen, indem du mich geweckt hast, um mir eine Arbeit abzuverlangen, die nun wahrlich nicht zu meinem ureigensten Betätigungsfeld zu zählen ist.»
    Roberto hatte mehrfach vergeblich versucht, sie zu unterbrechen. «Tut mir leid, Malpomena. Ich bin etwas angespannt. Wahrscheinlich weil meine letzte Rennphase schon ein halbes Jahr zurückliegt. Weißt du, Cottelli überzieht mich seit Wochen mit Dienstplänen, die –»
    «REM-Phase, bitte schön. Rapid Eye
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