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Der Pfad im Schnee

Der Pfad im Schnee

Titel: Der Pfad im Schnee
Autoren: Lian Hearn
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beendet. Shizuka kam leise herein und legte sich neben Kaede.
    »Mit wem hast du gesprochen?«
    Shizuka drehte den Kopf, damit sie direkt in Kaedes Ohr flüstern konnte. »Eine Kusine von mir arbeitet hier.«
    »Du hast überall Kusinen.«
    »So ist es beim Stamm.«
    Kaede schwieg einen Augenblick. Dann sagte sie: »Vermuten nicht auch andere Leute, wer du bist, und wollen…«
    »Wollen was?«
    »Nun, dich loswerden?«
    Shizuka lachte. »Das wagt niemand. Wir haben unendlich viel mehr Möglichkeiten, sie loszuwerden. Und niemand weiß je etwas Genaues über uns. Die Leute stellen ihre Vermutungen an. Aber Sie haben vielleicht bemerkt, dass mein Onkel Kenji und ich uns vielfältig tarnen können. Die Angehörigen des Stammes sind schwer zu erkennen, daneben beherrschen sie zahlreiche andere Künste.«
    »Wirst du mir mehr über den Stamm erzählen?« Kaede war fasziniert von dieser Welt, die sich unter der ihr bekannten Welt verbarg.
    »Ein wenig kann ich Ihnen erzählen. Nicht alles. Später, wenn uns niemand hören kann.«
    Von draußen hörte man den rauen Ruf einer Krähe.
    Shizuka sagte: »Zwei Neuigkeiten habe ich von meiner Kusine erfahren. Einmal, dass Takeo Yamagata nicht verlassen hat. Arai hat Suchtrupps ausgeschickt und Wachen auf den Überlandstraßen postiert. Sie werden ihn in der Stadt versteckt haben.«
    Die Krähe rief wieder. Aah! Aah!
    Vielleicht bin ich heute an seinem Versteck vorbeigekommen, dachte Kaede. Nach einem langen Moment sagte sie: »Was war das Zweite?«
    »Unterwegs könnte es einen Unfall geben.«
    »Was für einen Unfall?«
    »Für mich. Anscheinend will Arai mich loswerden, wie Sie es ausgedrückt haben. Aber es soll aussehen wie ein Unfall, ein Überfall von Räubern, etwas in der Art. Arai kann den Gedanken nicht ertragen, dass ich weiterlebe, aber er will Sie nicht direkt beleidigen.«
    »Du musst weg.« Kaede wurde laut vor Erregung. »Solange du bei mir bist, weiß er, wo er dich findet.«
    »Pst!«, warnte Shizuka. »Ich erzähle es Ihnen nur, damit Sie nichts Unüberlegtes tun.«
    »Was wäre unüberlegt?«
    »Ihr Messer zu gebrauchen, mich verteidigen zu wollen.«
    »Das würde ich tun«, sagte Kaede.
    »Ich weiß. Aber Sie müssen Ihre Kühnheit und diese Fertigkeiten verheimlichen. Jemand reist mit uns, der mich beschützt. Vielleicht mehr als einer. Überlassen Sie ihnen das Kämpfen.«
    »Wer ist es?«
    »Wenn meine Lady es errät, werde ich ihr ein Geschenk machen!«, sagte Shizuka leichthin.
    »Was ist aus deinem gebrochenen Herzen geworden?«, fragte Kaede neugierig.
    »Ich habe es mit Zorn geflickt«, antwortete Shizuka. Dann sagte sie ernster: »Vermutlich liebe ich nie wieder einen Mann so sehr. Aber ich habe nichts Schändliches getan. Ich bin es nicht, die unehrenhaft gehandelt hat. Zuvor war ich mit ihm verbunden, eine Geisel für ihn. Indem er sich von mir trennte, hat er mich befreit.«
    »Du solltest mich verlassen«, sagte Kaede wieder.
    »Wie kann ich Sie jetzt verlassen? Sie brauchen mich mehr denn je.«
    Kaede lag ganz still. »Warum jetzt mehr denn je?«
    »Lady, das müssen Sie doch wissen. Ihre Blutung ist überfällig, Ihr Gesicht ist weicher, Ihr Haar dicker. Die Übelkeit, danach der Hunger…« Shizukas Stimme war weich, voller Mitleid.
    Kaedes Herz raste. Sie wusste es tief in ihrem Innern, doch sie konnte es sich nicht eingestehen.
    »Was werde ich tun?«
    »Wessen Kind ist es? Doch nicht das von Iida?«
    »Ich habe Iida getötet, bevor er mich vergewaltigen konnte. Wenn es stimmt, dass ein Kind unterwegs ist, kann es nur von Takeo sein.«
    »Wann?«, flüsterte Shizuka.
    »In der Nacht, in der Iida starb. Takeo kam in mein Zimmer. Wir rechneten beide mit dem Tod.«
    Shizuka atmete hörbar aus. »Manchmal glaube ich, er ist vom Wahnsinn gestreift.«
    »Nicht Wahnsinn. Vielleicht Verzauberung«, sagte Kaede. »Es ist, als stünden wir beide unter einem Bann, seit wir uns in Tsuwano begegnet sind.«
    »Nun, daran sind zum Teil mein Onkel und ich schuld. Wir hätten Sie nie zusammenbringen sollen.«
    »Ihr oder sonst jemand hättet es durch nichts verhindert.« Kaede konnte eine leise Freude nicht unterdrücken.
    »Wenn es Iidas Kind wäre, wüsste ich, was tun«, sagte Shizuka. »Ich würde nicht zögern. Es gibt Dinge, die ich Ihnen geben kann, damit es abgetrieben wird. Aber Takeos Kind ist mit mir verwandt, ist von meinem Blut.«
    Kaede sagte nichts. Das Kind erbt vielleicht Takeos Begabung, dachte sie. Diese Begabung, die ihn wertvoll macht.
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