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Der Pfad der Woelfin

Der Pfad der Woelfin

Titel: Der Pfad der Woelfin
Autoren: Vampira VA
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er, als hätte ihm jemand einen Tritt in den ohnehin schmerzenden Bauch verpaßt. Ich schließe jetzt die Augen, und wenn ich sie wieder aufmache, ist es weg! Das träume ich nur! Ich bin noch gar nicht wirklich wach ...
    Doch das Kind in den Decken war wirklich. Es schrie auch weiter, als er die Lider so fest schloß, daß ihm schwindelig wurde. Er preßte die Fäuste erst gegen die Schläfen, dann gegen die Ohren, aber es hörte nicht auf. Es wurde nur ein wenig leiser.
    Pierre hielt sich am Türrahmen fest und streckte den Kopf nach draußen. Über den Säugling hinweg.
    Seine Hütte berührte fast den Wald, der die Gebirgsausläufer säumte, und eigentlich gehörte sie nicht mehr richtig zur Stadt. Erst einen Steinwurf entfernt begann die Straße, an der sich Haus an Haus schmiegte.
    Pierre bedauerte, daß trotz der Kälte der letzten Tagen kein Neuschnee gefallen war. So konnte er nicht unterscheiden, welche der Spuren, die zu seiner Tür führten, von ihm selbst und welche von dem gewissenlosen Schuft stammten, der den Säugling hier abgelegt hatte .
    Vielleicht, dachte Pierre, hatte er - oder sie - sogar an die Tür geklopft. Aber im Schlaf hatte Pierre es nicht gehört, und damit wäre er selbst fast mitschuldig am Tod dieses hilflosen Wesens geworden!
    Nachdem er sich noch einmal vergewissert hatte, daß draußen niemand war, der ihn beobachtete, bückte er sich, hob das sich windende Kind samt Decken auf und trug es zum Tisch.
    Dort legte er es hin und war ratlos.
    Das einzige, was er tun konnte, war, in die Stadt zu rennen und den Pfarrer zu verständigen, der seinen Eltern das Armeleutebegräbnis gegeben hatte .
    Pierre knetete seine Hände. Als er spürte, wie kalt sie waren, tastete er nach den Händen des Säuglings, die fast glühten.
    Es hat Fieber, dachte er. Es wird sterben.
    ES DURFTE NICHT STERBEN!
    Völlig außer sich, wie von Sinnen, ging Pierre im Raum auf und ab. Sein eigenes Unwohlsein war längst verdrängt. Er verschwendete keinen Gedanken mehr daran.
    Das Kind.
    Das arme Kind .
    Schließlich rannte er hinaus und holte doch Holz. Begleitet von dem unablässigen, durchdringenden Geplärre des Säuglings entfachte er die unter der Asche schwelende Glut und legte soviel Scheite auf, daß sich der Raum in kürzester Zeit erwärmte.
    Pierre kehrte immer wieder zu dem Bündel auf dem Tisch zurück.
    Er hätte es nicht in Worte fassen können, warum er zögerte.
    Warum er keine Hilfe holte.
    Je länger er das kleine Wesen betrachtete, desto sonderbarer wurde ihm zumute.
    Einmal, mit zehn oder zwanzig, hatte er ein Kätzchen gehabt. Das einzige Überlebende eines Wurfs. Sein Vater hatte die anderen in einen Sack gesteckt und in den Fluß geworfen. Pierre hatte gedacht, sein Vater müßte es merken, daß eines der schnurrenden kleinen Bälger fehlte.
    Aber er hatte nichts gemerkt, hatte nicht nachgezählt.
    Pierre hatte das Kleine mit Kuhmilch großgezogen.
    Nun ja, beinahe. Leider war es schon nach ein paar Wochen von einem Marder, der in den geheimen Verschlag eingebrochen war, totgebissen worden.
    Aber wenn nicht, dann hätte Pierre es aufgepäppelt!
    Ganz bestimmt .
    *
    »Fieber?« fragte die Bäuerin zweifelnd. »Du siehst nicht aus, als hättest du Fieber! Verschwinde, geh wieder nach Hause - oder mach dich hier ein bißchen nützlich!«
    Pierre griff sich an die Stirn und dann an den Hals. Dazu ächzte er übertrieben. Er wußte selbst, daß es nicht echt klang, aber besser konnte er es nicht.
    »Bitte«, jammerte er. »Es geht mir schlecht.« Nun griff er sich auch noch an den Bauch, dorthin, wo der einzige wirkliche Schmerz bohrte. »Fieber. Ich habe hohes Fieber!«
    Die dicke Bäuerin zog beide Brauen nach oben. Ihr Gesicht war gerötet. Einmal, als ihr Mann vom Heuwagen gefallen und wochenlang ein gebrochenes Bein auskuriert hatte, war sie zu Pierre in den Stall gekommen und hatte seine Hand unter ihren Rock, oben zwischen die Beine, geschoben. Es hatte ihm gefallen. Aber offenbar hat-te er sich tölpelhaft angestellt, denn nach einer Weile war sie schimpfend aus dem Stall gerannt. Danach hatte sie nie wieder etwas ähnliches versucht.
    »Deine Stirn ist eiskalt«, sagte sie, nachdem sie ihn kurz angefaßt hatte.
    »Es ist kaltes Fieber. Bitte, gebt mir etwas, um es zu senken! Ein Kraut. Ihr verstehst Euch doch mit Kräutern .«
    Sie überlegte. Ihre Brauen wuchsen noch ein Stückchen enger zusammen. Schließlich sagte sie in gottergebenem Ton: »Komm morgen zeitig und versorge das Vieh.
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