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Der Pathologe

Der Pathologe

Titel: Der Pathologe
Autoren: Jonathan Kellerman
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der Ecke standen mehrere Flaschen mit destilliertem Wasser. Ein Reinigungsmittelbehälter in Haushaltsgröße. Eine Sprühdose mit Fichtennadelduft: »Fresh Evergreen«.
    Säuberlich gefaltet lag in der gegenüberliegenden Ecke ein Stapel Frauenkleidung. Etwas Dunkles aus Baumwolle, ein weißer BH und ein dazu passender Slip. Ein fleischfarbenes Bündel – Strumpfhose – lag obendrauf. Keine Schuhe.
    Der Fußboden war ein bisschen nach links geneigt, verlief schräg auf einen Abfluss zu. Der glänzende Edelstahlrost sah neu aus, und der Stein, in den man ihn eingelassen hatte, war zu einem helleren Grau gebleicht.
    Die Frau war schlank und nackt. Sie lag mit ihrem dunklen Haarschopf Jeremy zugewandt. Kein Kratzer war an ihr zu erkennen, aber sie bewegte sich nicht, und sie war zu blass – er kannte diese Art Blässe. Graves hatte sich vor ihre Füße gestellt. Starrte auf ihre Füße. Ihre langen dunklen Haare fielen wellenförmig über den Rand des Tisches auf Jeremys Seite. Ihre Brust zeigte keine Bewegung. Sie war so blass. Um ihren Hals verlief ein schwacher rosafarbener Ring.
    Lockiges Haar.
    O Gott, Angela.
    Graves berührte ihren linken großen Zeh. Hielt den Finger an seinen Mund und leckte daran. Streckte die Hand nach dem Tablett aus, nahm ein Skalpell in die Hand, und Jeremy machte sich bereit zum Sprung. Doch nachdem Graves das Instrument untersucht hatte, legte er es wieder hin. Griff in den Metallkasten und zog etwas heraus, das wie ein übergroßer Bleistift aus Metall aussah.
    Der Stift verjüngte sich an der Spitze. Am dicken Ende war ein Stromkabel angebracht.
    Graves glitt mit einem Finger an dem Stift hinab. Drückte auf einen Knopf.
    Das Hummelsummen ertönte von neuem.
    Graves stand da, wiegte sich immer noch zu der Musik und starrte den Laser an. Er drückte auf einen anderen Knopf, und der Stift bekam ein hellrotes Auge. Als Graves sich umdrehte, um den Laser auf die Frau zu richten, war Jeremy hinter der Trennwand hervorgesprungen und über ihm.
    Graves stolperte und landete auf dem Rücken, aber er gab keinen Laut von sich. Stattdessen starrte er zu Jeremy hoch. Mit sanften, braunen Augen.
    Seine Kopfhörer waren heruntergeflogen, und der mit ihnen verbundene tragbare CD-Spieler war auf den Boden gefallen. Aus den Kopfhörern erklang ein blecherner Samba.
    Graves starrte Jeremy ausdruckslos an.
    Der Mann war irgendwo anders.
    Jeremy stürzte sich auf den Laser. Graves schwenkte das Instrument, schaffte es, auf einen anderen Knopf zu drücken. Ein dünner roter Strahl schoss hervor.
    Das scharlachrote Auge des Teufels vergoss heiße Tränen.
    Graves schwang den Strahl in Jeremys Richtung.
    Jeremy trat nach dem summenden Stab und verfehlte ihn. Aber seine Attacke brachte Graves’ Hand ins Wanken, und der rote Strahl streifte einen der Sägeböcke unter dem Tisch.
    Schnitt ihn glatt durch. Der Tisch neigte sich, und die nackte Frau rutschte herunter und landete mit einem dumpfen Geräusch bäuchlings auf dem Boden.
    OhGottAngela …
    Jeremy warf sich auf Graves. Graves rollte sich zur Seite. Der Laserstrahl schwankte, traf auf Stein und ließ feinen Staub aufsteigen. Graves stützte die Laserhand mit der anderen ab, blickte fragend und zielte abermals, während Jeremy Deckung suchte.
    Jeremy stolperte über Angelas Leiche. Eiskaltes Fleisch. Er fiel aufs Gesicht und rollte sich auf den Rücken.
    Graves stand über ihm.
    »Sie haben mich unterbrochen«, sagte er ohne Bitterkeit. Seine Augen waren klar, konzentriert, äußerst entschlossen. Er hatte eine schöne Haut, der Schnurrbart leuchtete wie ein Zobelfell.
    Eine weiche, lispelnde Stimme. Sanft. Frauen würden sie beruhigend finden.
    Er leckte sich die Lippen. »Das wird jetzt ein bisschen wehtun.« Er hob den Laser. Ein roter Punkt erschien mitten auf seiner Stirn.
    Noch jemand mit einem Laser?
    Nein, das war etwas anderes. Kein Hightech-Instrument. Eine halbe Sekunde später hörte man den Donner, und Blut tröpfelte und quoll dann aus dem schwarz umrandeten Loch in Graves’ Stirn. Nicht mittendrin, sondern ein paar Millimeter nach rechts. Der Stirnlappen.
    Graves starrte ausdruckslos, während er blutete. Ungläubig.
Wohin ist meine Persönlichkeit verschwunden?
    Dem Blutstrom folgten kleine Klumpen grau-rosafarbener Gehirnmasse, die stückweise in hafermehlartigen Brocken herausgedrückt wurden. Wie Schmutzwasser aus einem Abwasserrohr, dessen Verstopfung plötzlich beseitigt wurde.
    Graves schloss die Augen, fiel auf die Knie und
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