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Der Papalagi

Der Papalagi

Titel: Der Papalagi
Autoren: Erich Scheuermann
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Lendentuch sie heute oder morgen wohl tragen möchte, ob es lang oder kurz sein möge, und sie mit vieler Liebe immer davon spricht, welchen Schmuck sie darauf hängen soll – hat der Mann zumeist nur ein einziges Festkleid und spricht fast nie davon. Dies ist die sogenannte Vogelkleidung, ein tiefschwarzes Lendentuch, das auf dem Rücken spitz zuläuft, wie der Schwanz des Buschpapageies 1 . Bei diesem Schmuckkleid müssen auch die Hände weiße Häute tragen, Häute über jedem Finger, so eng, daß das Blut brennt und zum Herzen läuft. Es gilt daher als zulässig, daß vernunftvolle Männer diese Häute nur in den Händen tragen oder daß sie sie unterhalb der Brustwarzen in das Lendentuch einkneifen.
    Sobald ein Mann oder Weib die Hütte verläßt und auf die Gasse tritt, hüllen sie sich noch in ein weiteres weites Lendentuch, das, je nachdem ob die Sonne scheint oder nicht, dick oder dünner ist. Dann bedecken sie auch ihren Kopf, die Männer mit einem schwarzen, steifen Gefäß, wölbig und hohl wie das Dach eines Samoahauses, die Frauen mit großen Bastgeflechten oder umgestülpten Körben, an die sie Blumen, die nie welken können, Schmuckfedern, Fetzen von Lendentüchern, Glasperlen und allerlei anderen Zierat knüpfen. Sie gleichen der Tuiga 1 einer Taopou beim Kriegstanz, nur daß diese weit schöner ist, auch beim Sturm oder Tanz nicht vom Kopfe fallen kann. Die Männer schwingen diese Kopfhäuser bei jeder Begegnung zum Gruße, während die Frauen ihre Kopflast nur leise nach vorne neigen wie ein Boot, das schlecht geladen ist.
    1 Wohl der Frack gemeint
    Nur zur Nacht, wenn der Papalagi die Matte sucht, wirft er alle Lendentücher von sich, hüllt sich aber sogleich in ein neues einziges, das den Füßen zu offen ist und diese unbedeckt läßt. Die Mädchen und Frauen tragen dieses Nachttuch zumeist am Halse reich verziert, obwohl man es wenig zu sehen bekommt. Sobald der Papalagi auf seiner Matte liegt, bedeckt er sich augenblicklich bis zum Kopfe mit den Bauchfedern eines großen Vogels, die in einem großen Lendentuch zusammengehalten werden, damit sie nicht auseinanderfallen oder fortfliegen können.
    Diese Federn bringen den Leib in Schweiß und veranlassen, daß der Papalagi denkt, er läge in der Sonne, auch wenn sie nicht scheint. Denn die wirkliche Sonne achtet er nicht so sehr.
    1 Kopfschmuck
    Es ist nun klar, daß durch dies alles der Leib des Papalagi weiß und bleich wird, ohne die Farbe der Freude. Aber so liebt es der Weiße. Ja, die Frauen, zumal die Mädchen, sind ängstlich darauf bedacht, ihre Haut zu schützen, daß sie nie im großen Lichte rot werde, und halten zur Abwehr, sobald sie in die Sonne gehen, ein großes Dach über sich. Als ob die bleiche Farbe des Mondes köstlicher sei als die Farbe der Sonne. Aber der Papalagi liebt es, in allen Dingen sich eine Weisheit und ein Gesetz nach seiner Weise zu machen. Weil seine eigene Nase spitz ist wie der Zahn des Haies, ist sie auch schön, und die unsere, die ewig rund bleibt und ohne Widerstand, erklärt er für häßlich, für unschön, während wir doch genau das Gegenteil sagen.
    Weil nun die Leiber der Frauen und Mädchen so stark bedeckt sind, tragen die Männer und Jünglinge ein großes Verlangen, ihr Fleisch zu sehen; wie dies auch natürlich ist. Sie denken bei Tag und bei Nacht daran und sprechen viel von den Körperformen der Frauen und Mädchen und immer so, als ob das, was natürlich und schön ist, eine große Sünde sei und nur im dunkelsten Schatten geschehen dürfe. Wenn sie das Fleisch offen sehen lassen würden, möchten sie ihre Gedanken mehr an andere Dinge geben, und ihre Augen würden nicht schielen, und ihr Mund würde nicht lüsterne Worte sagen, wenn sie einem Mädchen begegnen.
    Aber das Fleisch ist ja Sünde, ist vom Aitu 1 . Gibt es ein törichteres Denken, liebe Brüder? – Wenn man den Worten des Weißen glauben könnte, möchte man wohl mit ihm wünschen, unser Fleisch sei lieber hart wie das Gestein der Lava und ohne seine schöne Wärme, die von Innen kommt. Noch aber wollen wir uns freuen, daß unser Fleisch mit der Sonne sprechen kann, daß wir unsere Beine schwingen können wie das wilde Pferd, weil kein Lendentuch sie bindet und keine Fußhaut sie beschwert und wir nicht achtgeben müssen, daß unsere Bedeckung vom Kopfe fällt. Laßt uns freuen an der Jungfrau, die schön von Leib ist und ihre Glieder zeigt in Sonne und Mondenlicht. Töricht, blind, ohne Sinn für rechte Freude ist der
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