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Der Palast

Der Palast

Titel: Der Palast
Autoren: Rowland
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wurden. Pferde preschten an den verkrümmten Leichen ihrer Reiter vorüber, als sie den berittenen Soldaten der Vorhut folgten, die vor den Angreifern flohen. Hinter Reikos Sänfte war der Pilgerzug zum Stehen gekommen. »Wir versperren den anderen den Fluchtweg!«, stieß sie hervor.
    Die übrigen Träger setzten hastig die Sänften ab; die Gepäckträger ließen ihre Lasten fallen. Derweil machte die Vorhut kehrt, um bei der Verteidigung des Pilgerzugs zu helfen.
    »Versteckt euch zwischen den Bäumen!«, rief der Hauptmann den Trägern und Dienern zu. Die Männer flohen den aufgeschütteten Straßenrand hinunter in die schattige Sicherheit des Waldes.
    »Sie lassen uns im Stich!«, rief Keisho-in.
    Berittene galoppierten an den abgestellten Sänften vorbei und riefen den Frauen zu, sie sollten aussteigen. Reiko ergriff Keisho-ins Hand. »Kommt!«
    Nachdem sie sich aus der Sänfte befreit hatte, sah Reiko, wie auch Midori, Fürstin Yanagisawa und die Dienerinnen aus den Sänften zum Vorschein kamen. Plötzlich drangen Schreie aus dem Wald. Die Männer, die dort Schutz gesucht hatten, kamen zwischen den Bäumen hervorgestürmt. Ihre Gesichter waren zu Masken des Grauens erstarrt. Hinter ihnen brach eine wilde, mit Schwertern bewaffnete, gespenstische Horde aus dem Wald hervor. Die Verfolger trugen Waffenröcke und Beinschienen, Kettenhemden und eiserne Helme, über die sie schwarze Kapuzen mit Sehschlitzen gestreift hatten, die ihre Gesichter verdeckten. Die Maskierten verfolgten die Fliehenden und hieben sie mit ihren Schwertern von hinten nieder; mit klaffenden Wunden im Rücken stürzten Diener und Träger tot zu Boden. Reiko war vor Schreck wie gelähmt, als sie das blutige Gemetzel beobachtete.
    »Räuber!«, schrie Fürstin Keisho-in.
    Die anderen Frauen standen starr vor Angst da, bis der Hauptmann sie aus ihrer Lähmung riss. »Zurück in die Sänften!«, fuhr er sie an.
    Reiko stieß Keisho-in ins Innere, sprang ebenfalls hinein und schloss die Tür hinter sich, während draußen das Gemetzel seinen Fortgang nahm. Die Maskierten kannten kein Erbarmen.
    »Gnädige Götter!«, stieß Reiko fassungslos hervor. »Wer sind diese Leute? Wer wagt es, einen Pilgerzug der Tokugawa anzugreifen?«
    Draußen rief der Hauptmann seinen Leuten weitere Befehle zu. Während eine Hand voll Soldaten die Sänften bewachte, unternahmen die berittenen Samurai und die Fußsoldaten einen Gegenangriff. Mehrere Maskierte fielen unter den Schwerthieben oder wurden von Pferdehufen zerstampft. Doch immer neue Angreifer stürmten aus dem Wald hervor. Sie waren den sechzig Mann des Begleitzuges zahlenmäßig weit überlegen, sodass jeder Soldat sich mehrerer Gegner erwehren musste. Die berittenen Samurai, die bald von Feinden umringt waren, rissen ihre Pferde auf der Hinterhand im Kreis herum und hieben mit ihren Schwertern die Angreifer nieder. Doch sofort füllten neue Maskierte die Lücken, zerrten die Samurai aus den Sätteln und töteten sie. Auch die Fußsoldaten wehrten sich verbissen gegen die Übermacht, doch die feindlichen Klingen fügten auch den besten Schwertkämpfern unter ihnen immer mehr Schnittwunden zu, bis ihre Kräfte erlahmten, sodass sie eine leichte Beute für die Angreifer wurden.
    Auch der Pfeilhagel hielt an. Die Geschosse töteten fliehende Diener und durchbohrten den Hals eines Pferdes, das ins Straucheln geriet, seinen Reiter abwarf und ihn mit dem Gewicht seines Körpers zerdrückte. Die Schreie und Rufe, das Wiehern der Pferde und Klirren der Waffen hallten von den Felswänden wider.
    Starr vor Schreck, beobachtete Reiko das Geschehen. »Diese Männer können unmöglich einfache Banditen sein«, sagte sie schließlich. »Ihre Kampftechnik ist zu gut. Und sie haben nicht zufällig hier gelauert, bis reiche Reisende vorüberkommen. Sie haben einen gut geplanten Hinterhalt gelegt – und zwar für uns!«
    Fürstin Keisho-in erwiderte nichts. Offenen Mundes starrte sie an Reiko vorbei auf das blutige Gemetzel.
    »Vielleicht haben sie uns wegen des Geldes angegriffen. Für die Summe, die wir mit uns führen, würde so mancher Mann sein Leben riskieren«, sagte Reiko. »Aber wieso töten sie hilflose, unbewaffnete Menschen?«
    Sie hörte das Schluchzen der Frauen in den anderen Sänften, und besorgt dachte sie an Midori, die allein und schwanger war – und bestimmt zu Tode verängstigt. Voll bitterer Ironie musste sie daran denken, dass sie gebetet hatte, irgendein Vorfall möge dieser Reise ein vorzeitiges
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