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Der Palast

Der Palast

Titel: Der Palast
Autoren: Rowland
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appellieren.
    »Ich würde Euch wirklich sehr gern begleiten«, sagte sie, »aber es könnte sein, dass der Shōgun meinen Gemahl mit Ermittlungen beauftragt, und wie Ihr wisst, helfe ich Sano bei der Arbeit …«
    Keisho-in schwieg und dachte nach. Sie wusste, dass Reiko Recht hatte, zumal der Shōgun ihre Fähigkeiten als Ermittlerin sehr schätzte. Schließlich erklärte sie: »Ich werde meinem Sohn sagen, er soll alle wichtigen Ermittlungen aufschieben, bis wir von unserer Reise zurückkehren.«
    »Aber vielleicht will er nicht, dass Ihr so lange fortgeht«, sagte Reiko mit wachsender Verzweiflung. »Wie soll Euer Sohn ohne Eure klugen Ratschläge auskommen?«
    Ein Ausdruck der Unschlüssigkeit erschien auf Keisho-ins Gesicht. Midori und Fürstin Yanagisawa beobachteten das Geschehen hoffnungsvoll und angespannt zugleich.
    »Und würdet Ihr Euren Sohn denn nicht vermissen?«, hakte Reiko nach. »Und Priester Ryuko?« Der Priester war der spirituelle Ratgeber und Liebhaber Keisho-ins.
    Sekunden verrannen, während Keisho-in mit sich rang. Schließlich sagte sie: »Ja, ich werde meinen geliebten Ryuko -san vermissen, doch eine Trennung wird unsere Bindung nur umso stärker machen. Und was meinen Sohn angeht, so werde ich ihm heute Abend genügend Anweisungen ereilten, dass er während meiner Abwesenheit auch ohne mich zurechtkommt.«
    Tapfer unternahm Reiko einen letzten Versuch: »Aber die Reise ist beschwerlich und gefahrvoll, und auf der Fernstraße lauern Räuber und Banditen …«
    »Außerdem gibt es kaum Schatten auf den Straßen. Es wird dort noch heißer sein als hier in der Stadt«, hieb Midori in die gleiche Kerbe.
    »Und wir werden in Herbergen übernachten müssen, in denen es von lärmendem Pöbel nur so wimmelt«, sagte Fürstin Yanagisawa.
    Doch Keisho-in winkte unwirsch ab. »Wir werden von einem großen Trupp Soldaten begleitet. Ich weiß eure Sorge um mich zu schätzen, doch eine fromme Pilgerreise zum Fuji -san ist all die Beschwernisse wert.« Sie wandte sich den Hausmädchen zu. »Sagt den Palastbeamten, sie sollen uns Pässe besorgen, sich um das Gefolge kümmern und alles für die Reise bereitmachen – Pferde, Sänften, Proviant. Beeilt euch! Morgen Früh geht es los!« Sie wandte sich wieder an Reiko, Midori und Fürstin Yanagisawa. »Steht nicht da wie Närrinnen! Kommt mit und helft mir, meine Kleidung auszusuchen!«
    Nach diesem Vorgeschmack auf die Gesellschaft Keisho-ins tauschten die drei Frauen verzweifelte Blicke, bevor sie einen gemeinsamen, stummen Seufzer der Resignation ausstießen.
     
    Am Tag darauf, in der Kühle der Morgendämmerung, trugen Diener das Gepäck aus Sanos Villa und stellten es auf dem Hof ab. Je eine Sänfte wartete auf Reiko und Midori; die Träger standen schon bereit, sich mit den Frauen auf die lange Reise zum Fudschijama zu machen. Sano und Masahiro standen mit Reiko neben der Sänfte.
    »Ich wollte, du würdest um diese Reise herumkommen«, sagte Sano, der den Gedanken hasste, dass Reiko sich auf einen so langen und gefahrvollen Weg machte, doch seine Pflichten gegenüber dem Tokugawa-Klan untersagten es ihm, Keisho-ins Reisepläne zu vereiteln.
    Reikos hübsches Gesicht war angespannt, doch sie brachte ein Lächeln zustande. »Vielleicht ist es gar nicht so schlimm, wie wir glauben.«
    Sano bewunderte Reikos Tapferkeit; stets versuchte sie, aus unangenehmen Situationen das Beste zu machen. Er vermisste sie schon jetzt. Sie beide waren viel mehr als bloß Partner im Beruf und in einer Ehe, die aus finanziellen und politischen Gründen arrangiert worden war. Ihre Arbeit, ihr gemeinsamer Sohn und ihre leidenschaftliche Liebe hatten sie zu einer spirituellen Einheit verschmelzen lassen, sodass die bevorstehende Trennung – die längste in ihren bisherigen vier Ehejahren – umso mehr schmerzte.
    Reiko ging in die Hocke, legte Masahiro die Hände auf die Schultern und blickte in sein ernstes kleines Gesicht. »Versprichst du mir, artig zu sein, solange ich fort bin?«
    »Ja, Mama.« Wenngleich das Kinn des kleinen Jungen bebte, mühte er sich um Tapferkeit und versuchte, die unerschütterliche Haltung eines Samurai an den Tag zu legen.
    Midori und Hirata standen neben der anderen Sänfte und umarmten einander. »Ich habe Angst, dass etwas Schlimmes passiert und dass wir uns nie wiedersehen«, sagte Midori mit zitternder Stimme.
    »Du brauchst dich nicht zu fürchten. Euch werden sehr gute Kämpfer begleiten«, erwiderte Hirata, doch auf seinem breiten,
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