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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt
Autoren: Philip Kerr
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je einen Blick in die Akten geworfen hat, weiß ich nicht. Er hat es schon eine ganze Weile auf Welles’ Stuhl abgesehen, und ich vermute, er war ganz damit ausgelastet, seine Karriere voranzutreiben. Als ich bei Hull wegen der Katyn-Akten nachgefragt habe, haben er und Mr.
    Bullshit
    14

    gemerkt, dass sie die Sache versiebt haben, und offenbar beschlossen, die Akten still und heimlich in Welles’ Büro zurückzubringen und alles auf ihn zu schieben. Natürlich hat Hull dafür gesorgt, dass Cole seine Geschichte stützte.«
    Roosevelt zuckte die Achseln. »Das ist Welles’ Theorie, wie es abgelaufen sein muss, und ich glaube, er hat Recht.«
    Genau da fiel mir wieder ein, dass ich Welles einst im Washingtoner Metropolitan Club mit Cole bekannt gemacht hatte.
    »Als Hull die Akten zurückbrachte und mir mitteilte, wir seien leider nicht in der Lage, irgendeine Meinung zu der Katyn-Sache zu haben«, fuhr Roosevelt fort, »habe ich geflucht wie ein Seemann. Und das Ende der Geschichte ist: Es ist nichts passiert.« Der Präsident zeigte auf einen Stapel verstaubter Akten auf einem Bücherbord. »Wären Sie so nett, sie mir herunterzuholen? Dort oben.«
    Ich nahm die Akten herunter, deponierte sie auf dem Sofa neben dem Präsidenten und inspizierte dann meine Hände. Vom Dreck an meinen Fingern her zu schließen, ließ sich der Job nicht besonders gut an.
    »Es ist kein großes Geheimnis, dass ich mich noch vor Weihnachten mit Churchill und Stalin treffen werde. Ich habe allerdings keine Ahnung, wo. Stalin weigert sich, nach London zu kommen, also können wir so gut wie überall anders landen.
    Doch wo immer dieses Treffen stattfinden wird, ich möchte eine klare Vorstellung von dieser Katyn-Sache haben, weil sie sich mit Sicherheit auf die Zukunft Polens auswirken wird. Die Russen haben bereits die diplomatischen Beziehungen zur polnischen Exilregierung in London abgebrochen. Die Briten fühlen sich den Polen natürlich besonders verbunden.
    Schließlich sind sie für Polen in den Krieg gezogen. Sie sehen also, es ist eine delikate Situation.«
    15

    Der Präsident zündete sich eine weitere Zigarette an und legte dann eine Hand auf den Aktenstapel.
    »Und das bringt mich zu Ihnen, Professor Mayer. Ich möchte, dass Sie eine eigene Untersuchung in dieser Katyn-Angelegenheit durchführen. Fangen Sie mit einer objektiven Evaluierung des Inhalts dieser Akten an, aber fühlen Sie sich nicht allein an die Akten gebunden. Reden Sie mit jedem, von dem Sie glauben, dass er Ihnen von Nutzen sein könnte. Bilden Sie sich eine eigene Meinung und schreiben Sie dann einen Bericht ausschließlich für mich. Nicht zu lang. Nur ein Resümee ihrer Ergebnisse und ein paar Strategievorschläge. Mit Donovan habe ich das bereits geregelt, diese Sache hat also Vorrang vor all Ihren sonstigen Aufgaben.«
    Er zog sein Taschentuch heraus und wischte sich den Staub von der Hand.
    »Wie lange habe ich Zeit, Mr. President?«
    »Zwei, drei Wochen. Ich weiß, das ist nicht viel für eine so schwerwiegende Angelegenheit, aber daran lässt sich, wie Sie sicher verstehen werden, nichts ändern. Nicht jetzt.«
    »Wenn Sie sagen, ich soll mit jedem reden, der mir von Nutzen sein könnte, schließt das auch Leute in London ein?
    Mitglieder der polnischen Exilregierung? Leute im Auswärtigen Amt? Und wie lästig darf ich werden?«
    »Reden Sie, mit wem Sie möchten«, sagte Roosevelt. »Falls Sie nach London zu reisen beschließen, wird es hilfreich sein, wenn Sie sich als mein Sonderbeauftragter vorstellen. Das wird Ihnen jede Tür öffnen. Meine Sekretärin, Grace Tully, wird den nötigen Papierkram für Sie erledigen. Aber bemühen Sie sich, keinerlei Meinung zu äußern. Und vermeiden Sie es, irgendetwas zu sagen, was die Leute auf die Idee bringen könnte, Sie sprächen in meinem Namen. Dies ist wie gesagt eine äußerst heikle Angelegenheit, aber was auch passieren mag, ich möchte vermeiden, dass aus dieser Sache irgendwelche 16

    Unstimmigkeiten zwischen mir und Stalin erwachsen. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
    Klar genug. Ich würde ein kastrierter Köter sein, mit nichts als dem Namen meines Herrchens auf dem Halsband, um den Leuten deutlich zu machen, dass ich das Recht hatte, auf seine Blumen zu pinkeln. Aber ich setzte ein Lächeln auf und legte ein paar Stars und Stripes in meine Worte, als ich sagte: »Ja, Sir, absolut klar.«

    Als ich nach Hause kam, erwartete mich Diana mit einem Sack voller aufgeregter Fragen.
    »Und?«, sagte
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