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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt
Autoren: Sarah Rees Brennan
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zu sein, das ist schon eine Gabe.«
    Mama reagierte nicht. Sin sah auf und bemerkte, dass ihre Mutter die Augen aufgerissen hatte. Das Licht der Laternen spiegelte sich darin wider und unwillkürlich drehte sich Sin nach der Bedrohung um.
    Doch es war keine Bedrohung. Es war nur Alan Ryves und sein lästiges Gesicht, und dicht hinter ihm, wo Nick immer stand … nun, da stand Nick.
    Es war nicht so, dass Sin ihn nicht erkannt hätte. Es war unverkennbar Nick mit seiner totenbleichen Haut, dem tiefschwarzen Haar und dem ausdruckslosen Blick, aber die mürrischen, zu scharfen und zu starken Züge schienen auf einmal ihren Platz in seinem Gesicht gefunden zu haben. Er war jetzt fast so groß wie sein Bruder. Die Muskeln, die ihn zuvor untersetzt hatten aussehen lassen, passten sich jetzt beim Laufen geschmeidig seiner neuen Figur an.
    Er bewegte sich immer noch geschmeidig und sicher wie ein Tänzer.
    Das war Nick, neu erschaffen im Licht der brennenden Laternen, das golden über seine kantigen Wangenknochen lief und in der Tiefe seiner schwarzen Augen ein Feuer entzündete.
    Mama pfiff leise.
    Sin lächelte abwesend. Es war nicht so, dass Nicks plötzliches, lächerlich gutes Aussehen sie nicht interessierte. Es war nur so, dass sie auf einmal von etwas noch Unerwarteterem abgelenkt wurde.
    Sie stellte fest, dass ihr Nick ein wenig leid tat.
    Sin war stets ein niedliches Kind gewesen, das hatte sie gewusst, seit sie denken konnte. Es war auch wichtig, es zu wissen, da Mama und sie ihr Aussehen einsetzen mussten. Seit ihrem fünften Lebensjahr hatte sie mit Locken und Bändern und einem süßen Lächeln Leute dazu gebracht, Mamas Stand aufzusuchen und sich von ihr die Zukunft weissagen zu lassen.
    Fast genauso lange hatte sie getanzt. Zuerst nur zum Vergnügen der Touristen und um für Unterhaltung zu sorgen, wobei es mehr um ihr Lächeln und ihre hübschen Kostüme ging als um die Tatsache, dass sie tanzen konnte; und dann für die Dämonen, wobei das Einzige, was zählte, das Talent war. Aber es konnte nie schaden, wenn sie auch noch gut aussah.
    Sie war Aufmerksamkeit und Bewunderung gewohnt. Aber wenn man erwachsen wurde, änderte sich das gelegentlich, und manchmal war es so neu und unerwartet schmerzhaft wie ein Muskelkater.
    Letztes Jahr war sie am Stand eines Tränkebrauers gewesen, den sie seit Jahren kannte, und er hatte ihr ein Geschenk gemacht, weil sie an diesem Abend besonders hübsch ausgesehen hatte. Er hatte ihren Namen mit Löwenzahnsamen geschrieben, die sternengleich im Mondlicht funkelten.
    Er hatte ihn SIN geschrieben. Sie selbst hatte ihn zuvor immer CYN buchstabiert. Doch wenn die Menschen sie jetzt ansahen, sahen sie etwas anderes.
    Mama hatte ihr den Arm um die Schultern gelegt und gesagt: »Dann mach doch das zu deinem Namen.«
    Ein Bühnenname war der wahrste Name, den eine Tänzerin haben konnte. Sie hatte gelernt, sich das zunutze zu machen, was die Leute in ihr sahen, wenn sie sie ansahen. Sie war immer schon eine Schauspielerin gewesen.
    Köpfe wandten sich nach den Brüdern um, als sie durch die Menge gingen, und Nick schien nicht im Mindesten verlegen. Sin sah, wie er einigen Blicken einen Augenblick lang standhielt und dann ganz bewusst wegsah, die Lippen zu einem leichten Lächeln gekräuselt. Nick, der sich nie unterhalten oder mit jemandem anfreunden wollte, sah aus, als fühle er sich genauso wohl wie im Tanzkreis mit den Dämonen. Als hätte er schon immer gewusst, dass er einmal schön sein würde.
    Nick hatte nie etwas für Schauspielerei übrig gehabt, aber es schien, als wüsste er, wie er seine neue Macht als Waffe einsetzen konnte.
    Sin verstand das.
    Sie erhob sich von ihrem Platz neben Tobys Wiege und ließ einen Augenblick lang die Lichter des Marktes und den Wind vom Strand her über ihre Haut gleiten.
    Ihre Mutter fing ihren Blick auf und zwinkerte.
    Â»Geh, hol dir deinen Partner!«
    Â»Oh, das werde ich, aber Nick kann warten«, entgegnete Sin. »Zuerst brauch ich mein Publikum.«
    Es war die Nacht des Jahrmarkts der Kobolde, eine Nacht, um jemanden in einem anderen Licht zu sehen.
    Damals dachte sie noch, Nick wäre ein Mensch.
    Sin erblickte ihr »Opfer« sofort. Es war ein Mann im Anzug, der so aussah, als wäre er schon ein paar Mal auf dem Markt gewesen, der aber den Eindruck zu erwecken suchte, es wäre schon öfter als nur ein paar Mal
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