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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch
Autoren: Daniel Silva
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indem er Mitschnitte und Abhörprotokolle aller Telefongespräche schickte, die auf der Jacht oder von den Passagieren geführt wurden. Die abgehörten Gespräche alarmierten sie rechtzeitig, bevor Mad Maxim oder jemand aus seinem Gefolge an Land ging. So war im Voraus bekannt, wo die Gesellschaft lunchen, wo sie soupieren und in welchem Nachtclub sie irgendwann nach Mitternacht einfallen würde. Auf den Mitschnitten war auch Alexeij Budanows Stimme zu hören. Er telefonierte fast ausschließlich mit Moskau. Dabei brauchte er sich nie zu identifizieren oder seinen Namen zu nennen.
    Er verließ auch die Mischief nicht. Selbst wenn die anderen in seinem Lieblingslokal Le Grand Joseph dinierten, blieb er ein Gefangener der Jacht. Und der mittelgroße, mittelschlanke Mann wartete geduldig nicht weit von ihm entfernt am Fuß des Leuchtturms. Um sich die Zeit zu vertreiben, träumte er davon, mit seiner Frau im Bett zu sein. Und er restaurierte imaginäre Gemälde. Und er erinnerte sich in lebhaften Details an den Albtraum im Birkenwald. Die meiste Zeit behielt er jedoch die Jacht im Auge. Und er wartete. Immer wieder warten … Warten auf ein Flugzeug oder einen Zug. Warten auf einen Informanten. Warten auf den Sonnenaufgang nach einer Nacht voller Morde. Und darauf, dass Iwan Charkow endlich nach Saint-Tropez zurückkehren würde.
    Als Gabriel am Spätnachmittag des 29. August beobachtete, wie die Beiboote der Mischief zum Mutterschiff zurückkehrten, vibrierte sein abhörsicheres Handy. Der Anrufer war Eli Lavon.
    »Sieh zu, dass du schnellstens herkommst.«
     
    Letztlich war es nicht amerikanische Technik, die Charkows Verderben sein würde, sondern israelische List. Auf dem Chemin des Conquettes, einer Wohnstraße südlich der belebten Innenstadt von Saint-Tropez, war Lavon am Eingang des Restaurants Villa Romana ein neues Schild aufgefallen. Es verkündete auf Englisch, Französisch und Russisch, dass der berühmte Nachtclub übermorgen Abend leider wegen einer Privatveranstaltung geschlossen sei. Lavon, der sich als Paparazzo auf der Suche nach Filmstars ausgab, hatte etwas Geld unter dem Personal verteilt, um herauszubekommen, wer den ganzen Club gebucht hatte. Von einem redseligen Barkeeper hörte er, dass an besagtem Abend nur Russen kämen. Ein Aushilfskellner vertraute ihm an, es werde eine Mega-Party – das waren seine Worte: eine Mega-Party. Und von einer bildhübschen Hostess erfuhr er den Namen des Mannes, der die Party geben und für alle zahlen würde: Mad Maxim Simonow, der russische Nickelkönig. »Keine Filmstars«, sagte die junge Frau, »nur betrunkene Russen mit ihren Freundinnen. So feiern sie jedes Jahr die letzte Nacht der Saison. Das wird sicher eine heftige Nacht.« Allerdings, dachte Lavon. Eine wirklich heftige Nacht.
     
    Gabriel ging eine Wette ein, von der er zuversichtlich annahm, sie werde sich reichlich bezahlt machen. Er wettete, dass Iwan Charkow unmöglich bis an die Riviera kommen und der Anziehungskraft des Restaurants Villa Romana, wo er früher einen ständigen Tisch gehabt hatte, würde widerstehen können. Er würde angemessene Sicherheitsvorkehrungen treffen, vielleicht sogar irgendeine primitive Verkleidung tragen, aber er würde kommen. Und Gabriel würde auf ihn warten. Ob er dann tatsächlich abdrückte, würde von zwei Faktoren abhängen. Er würde kein Blut Unschuldiger – bewaffnete Leibwächter ausgenommen – vergießen und nicht so tief wie Charkow sinken, dass er ihn vor den Augen seiner jungen Frau erschoss. Lavon arbeitete einen Aktionsplan aus, den sie »Spaß mit Handys« nannten.
    Es wurde in der Tat eine heftige Nacht, und genau wie Gabriel vorausgesagt hatte, konnte Charkow der Versuchung, zu der Party zu kommen, nicht widerstehen. Die Techno-Pop-Musik wummerte ohrenbetäubend laut, die Frauen waren halbnackt, und der Champagner floss in Strömen. Charkow hielt sich im Hintergrund, war aber nicht verkleidet, weil keiner der geladenen Gäste daran gedacht hätte, ihn zu verraten. Auch die Möglichkeit, in körperlicher Gefahr zu schweben, erschien eher theoretisch. Die beiden Leibwächter, die Mad Maxim zu seinem Schutz mitgebracht hatte, waren wie Türsteher vor dem Eingang der Villa Romana postiert. Falls sie auch nur die kleinste Bewegung machten, würden sie dort um zwei Uhr sterben, weil Charkow dann durch Müdigkeit und Alkohol geschwächt sein würde. Um zwei Uhr, weil es am Chemin des Conquettes an warmen Sommerabenden um diese Zeit endlich ruhig
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