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Der Neue Frühling

Der Neue Frühling

Titel: Der Neue Frühling
Autoren: Robert Jordan
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Grund, warum Lan ihnen aus dem Weg ging.
    Wie lange würde Basrams neue Wachsamkeit andauern? Lan wünschte sich, die Antwort darauf zu kennen, aber es war sinnlos, den Domani noch länger zur Rede zu stellen. Sämtliche Männer seines Kommandos waren hundemüde. Vermutlich war jeder Mann des Heers der so großartig benannten Großen Koalition – manchmal bezeichnete man sie als die Große Koalition, dann wieder als die Große Allianz oder auch ein halbes Dutzend anderer Begriffe, von denen einige alles andere als schmeichelhaft waren –, vermutlich war jeder von ihnen der völligen Erschöpfung nahe. Eine Schlacht war schweißtreibende Arbeit, ob nun Schnee lag oder nicht, und ermüdend. Muskeln konnten sich auch dann vor Anspannung verknoten, wenn man ihnen Gelegenheit bot, sich eine Zeit lang auszuruhen, und die letzten paar Tage hatten nur wenig Möglichkeiten geboten, eine längere Pause einzulegen.
    Das Lager beherbergte über dreihundert Männer, von denen zu jeder Zeit ein volles Viertel Wache hielten. Gegen die Aiel wollte Lan so viele wachsame Augen haben, wie es ihm nur möglich war. Zweihundert Schritte weiter, und er hatte noch drei Männer wecken müssen; einer hatte sogar im Stehen geschlafen. Jaims Kopf war hoch erhoben, er hatte sogar die Augen geöffnet. Das war ein Trick, den manche Soldaten lernten, insbesondere alte Soldaten wie Jaim. Lan schnitt die Proteste des graubärtigen Mannes ab, er habe gar nicht schlafen können, nicht im Stehen, und versprach ihm, es seinen Freunden zu erzählen, wenn er ihn noch einmal schlafend erwischte.
    Einen Augenblick lang sah Jaim ihn mit offen stehendem Mund an, dann schluckte er schwer. »Es wird nicht wieder vorkommen, mein Lord. Das Licht soll meine Seele verbrennen, wenn es noch einmal passiert!« Er klang ehrlich bis auf die Knochen. Es gab Männer, die Angst gehabt hätten, dass ihre Freunde sie besinnungslos prügeln würden, weil sie den Rest in Gefahr gebracht hatten, aber bei den Leuten, mit denen Jaim sich umgab, fürchtete er eher die Demütigung, erwischt worden zu sein.
    Als Lan weiterging, musste er unwillkürlich kichern. Er lachte nur selten, und es war albern, darüber zu lachen, aber es war besser zu lachen als sich über Dinge zu sorgen, die er nicht ändern konnte, so wie erschöpfte Männer, die auf Wache dösten. Oder sich um den Tod zu sorgen. Was man nicht ändern konnte, musste man ertragen.
    Plötzlich blieb er stehen und hob die Stimme. »Bukama, was schleichst du denn da herum? Du bist mir gefolgt, seit ich aufgewacht bin.« Hinter ihm ertönte ein Grunzen. Zweifellos hatte Bukama geglaubt, sich lautlos zu bewegen, und tatsächlich hätten nur sehr wenige Männer das leise Knirschen seiner Stiefel im Schnee wahrgenommen, aber er hätte wissen müssen, dass es Lan nicht verborgen bleiben würde. Schließlich war er einer von Lans Lehrern gewesen, und eine der ersten Lektionen hatte darin bestanden, sich ständig seiner Umgebung bewusst zu sein, selbst im Schlaf. Keine leichte Lektion für einen Jungen, aber nur die Toten konnten sich Unachtsamkeit leisten. In der Ödnis jenseits der Grenzländer wurden die Unachtsamen bald zu den Toten.
    »Ich habe deinen Rücken beschützt«, verkündete Bukama mürrisch und trat an seine Seite. »Bei der Sorgfalt, die du walten lässt, könnte sich einer dieser schwarzverschleierten Aiel-Schattenfreunde anschleichen und dir die Kehle durchschneiden. Hast du alles vergessen, was ich dir beigebracht habe?« Bukama war breit und fast so groß wie Lan, größer als die meisten Männer, und er trug einen Malkier-Helm ohne Kamm, obwohl er dazu das Recht hatte. Er sorgte sich mehr um seine Pflichten als um seine Rechte, was sich auch so gehörte, aber Lan wünschte sich, er würde seine Rechte nicht so verschmähen.
    Als die Nation Malkier unterging, hatte man zwanzig Männern die Aufgabe übertragen, den Säugling Lan Mandragoran in Sicherheit zu bringen. Nur fünf von ihnen hatten die Reise überlebt, Lan von Kindesbeinen an großgezogen und ausgebildet, und Bukama war der letzte Überlebende. Sein Haar war jetzt grau und auf Schulterlänge geschnitten, wie es die Tradition befahl, aber sein Rücken war ungebeugt, seine Arme stark und seine blauen Augen klar und scharf. Bukama war tief in Traditionen verwurzelt. Eine dünne geknotete Lederschnur hielt sein Haar zurück und ruhte in der Furche auf seiner Stirn, die sie im Laufe der Jahre dort hineingegraben hatte. Nur noch wenige Männer trugen den
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