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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling
Autoren: Robert Silverberg
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sie bleibt am leben! Ist das klar, Chevkija Aim? Sollte sich erweisen, daß sie später Schwierigkeiten macht, können wir sie immer noch beseitigen. Aber hier und heute rührt niemand sie an, wenn das Schlachtfest beginnt. Befiehl deinen Wachen, sie zu schützen. Oder – ich schwöre es bei der Fünffaltigkeit – ich werde dafür sorgen, daß fünfzigfältig gerächt wird, wenn ihr irgendein Harm geschieht. Ist dies klar und hast du’s kapiert, Chevkija Aim?«
    Thu-Kimnibol schien es, als wäre die gesamte Stadtbevölkerung auf den Beinen, um seine heimkehrenden Kriegshelden zu begrüßen. Direkt am Emakkis-Tor hatten sie eine mächtige hölzerne Tribüne errichtet, groß genug für sämtliche Mitglieder des Präsidiums und noch eine Menge von Leuten dazu. Und darum herum scharten sich Hunderte, Tausende von Bürgern, eine gigantische Masse, praktisch jede Seele in Dawinno, die nicht mit in den Krieg gezogen war.
    Seine Hand schloß sich fester um Niallis Arm. »Da, siehst du, da droben ist Taniane? Und Staip. Und Chomrik Hamadel. Und der dort, der mit dem enormen Helm, ist vermutlich Puit Kjai…«
    »Simthala Honginda und Catiriil sind auch da, dort drüben rechts neben Staip. Und ist der dort nicht Husathirn Mueri? Ich kann ihn kaum sehen, weil dieser lange Lackel von Stadtgardist mir die Sicht versperrt. Aber diese grellen weißen Streifen, der schwarze Pelz… er muß es sein.«
    »Genau. Das ist er. Ich glaube, heut hat er auch ein noch längeres Gesicht aufgesetzt als sonst.«
    »Aber wo ist denn Boldirinthe? Ich kann sie nirgends sehen.«
    »Wir würden sie nicht übersehen können, falls sie da wäre. Aber es dürfte ziemlich mühsam sein, sie auf das Podium da raufzuhieven.«
    »Vielleicht lebt sie gar nicht mehr.«
    »Du meinst…«
    »Sie war alt. Sie war krank.«
    »Ich bete, daß es nicht der Fall ist«, sagte Thu-Kimnibol. Aber insgeheim vermutete er, daß Nialli wohl recht hatte. Es war eine Zeit gewesen, in der die großen alten Leute sich verabschiedet hatten.
    Eine behelmte Gestalt auf einem edel aussehenden grauen Xlendi kam ihnen jetzt mit dem Stadtbanner in der Hand entgegengeritten. Nach kurzem erkannte Thu-Kimnibol den Reiter als den jungen Edeling und Krieger Peliththrouk, den Favoriten von Simthala Honginda, und er hatte zur Entourage während der Gesandtschaft an den Hof König Salamans gehört. Das kam ihm nun vor wie vor Millionen Jahren. Seine Gedanken wanderten zurück zu jenem Tag, an dem Dumanka die Caviandis gejagt und gebraten hatte; damals hatte Peliththrouk ein so idealistisches Plädoyer geliefert – über die Gemeinsamkeit, die Einheit zwischen allen vernunftbegabten Geschöpfen. Daß man ihm jetzt diesen jungen Mann, einen der leidenschaftlichsten Advokaten des Friedens, als offiziellen Begrüßungsherold entgegensandte, war ein gutes Omen für die Aussöhnung, die nun zuwege gebracht werden mußte.
    Peliththruk sprang aus dem Sattel und blickte zu ihnen herauf.
    »Unser Häuptling entbietet Grüße. Sie hat mich beauftragt, euch zu den Ehrenplätzen zu geleiten.«
    Thu-Kimnibol nickte Nialli Apuilana zu. Gemeinsam stiegen sie aus ihrem Wagen. Peliththruk lächelte. Er breitete weit die Arme aus und begrüßte sie mit feierlicher Akkolade, zuerst Thu-Kimnibol, dann Nialli Apuilana.
    »Was für ein prachtvolles Wetter«, murmelte Thu-Kimnibol, während sie dem jungen Mann zur Honoratioren-Tribüne folgten. Stadtgardisten hielten die Menschenmenge zu beiden Seiten zurück. Überall wehten knatternde Banner. Die Sonne stand hell und warm bereits hoch am Himmel. Als sie am Fuß der Treppe zur Tribüne angelangt waren, tastete Nialli nach Thu-Kimnibols Hand. Sie schlangen ihre Finger ineinander.
    Dort war eine Reihe von Gardisten aufgebaut. Dahinter warteten Taniane und die ganze höchst festlich gekleidete Nobilität der Stadt in Ehrenformation. Die Zeit hatte ihnen mitgespielt. Der Häuptling wirkte nur noch wie der verglühte graue Kohlenrest ihres früheren Selbst, und Staip sah über alle Maßen verrunzelt und uralt aus; auch die übrigen schienen bestürzend gealtert zu sein. Puit Kjai, Chomrik Hamadel, Lespar Thone… Thu-Kimnibol fragte sich, wie er wohl auf sie wirken mochte… nach den monatelangen Märschen durch kahle Wüsteneien, nach den Kämpfen, mit den Verwundungen, die er davongetragen hatte.
    Trotzdem war seine Stimmung höchst aufgekratzt. Krieg und Schlachten waren fürs erste einmal vorbei; er kehrte als Sieger heim. Doch das war noch nicht alles. In
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