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Der Narr und der Tod

Der Narr und der Tod

Titel: Der Narr und der Tod
Autoren: Charlaine Harris
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neunzehnjährigen Tally betraf, war Ellen in Bezug auf ihre Kinder nicht anders als andere Mütter. Es freute sie, von ihnen berichten zu dürfen, und meine Frage sorgte für einen problemlosen Fluss der Unterhaltung. Der versiegte erst, als Mrs. Esther auftrat, um zu verkünden, das Essen sei fertig. Martin und ich wechselten diskret Blicke.
    Lucinda Esther gehörte zu den wichtigen Persönlichkeiten von Lawrenceton, und die Tatsache, dass die Lowrys sie für diesen Abend angeheuert hatten, um das Essen zu kochen, überraschte sowohl meinen Mann als auch mich. Schließlich hing von diesem Abendessen kein wichtiger Deal ab und es gab auch nichts zu feiern. Mrs. Esther heuerte man eigentlich nur bei bedeutenden Anlässen an, für das erste Treffen zwischen den Eltern der Braut und denen des Bräutigams zum Beispiel, oder wenn ein wichtiger Neuankömmling in der Stadt zum ersten Mal bei einer der eher betuchten Familien zu Gast war und man ihn besonders herzlich willkommen heißen wollte.
    In unserem Fall bedeutete Mrs. Esther vielleicht, dass die Herrin des Hauses nicht in der Lage war, eine angemessene Mahlzeit zuzubereiten.
    Da stand sie nun, massig und würdevoll in ihrer gestärkten grauen Uniform mit der stadtbekannten weißen Schürze und teilte uns mit: „Das Essen ist angerichtet.“ Ohne unsere Blicke zu erwidern oder eine Reaktion abzuwarten, machte sie auf dem Absatz kehrt und stolzierte zurück in die Küche, das dunkle Gesicht reglos, das Kinn stolz hochgereckt. Jeder Schritt ließ die schweren, goldenen Ringe in ihren Ohren munter baumeln.
    Mrs. Esther servierte nicht, sie stellte das fertige Essen auf den Tisch und blieb in der Küche, bis wieder abgeräumt werden konnte. Außerdem stellte sie das Menü, das sie ihren Auftraggebern vorsetzte, in der Regel selbst zusammen. Heute gab es Brathuhn in weißer Soße, grüne Bohnen, selbstgebackene Brötchen, einen Auflauf aus Süßkartoffeln und einen gemischten Salat. Um Kalorien und Cholesterinwerte kümmerte sich Mrs. Esther nicht.
    Wir reichten die Schüsseln herum, was sich wieder einmal als effektiver Eisbrecher erwies, und dann bat Martin mich, Catledge zu erzählen, was sich an diesem Nachmittag in unserem Garten abgespielt hatte.
    Ich hatte inzwischen genug Abstand zur Geschichte, um sie angemessen amüsant vortragen zu können – während des Ereignisses selbst war mir nicht so nach Lachen gewesen. Beim Erzählen wanderte mein Blick natürlich zwischen Ellen und Catledge hin und her. Catledge saß links von mir am Tischende, Ellen mir gegenüber, und beide reagierten sehr unterschiedlich, was ich im Grunde interessanter fand als die Geschichte selbst. Catledge wirkte erregt und sichtlich erschüttert, während Ellen die ganze Sache sehr witzig zu finden schien. Eigentlich hatte ich mit genau der umgekehrten Reaktion gerechnet: Catledge amüsiert und Ellen besorgt. Wirklich, das war höchst interessant.
    Noch interessanter wurde es meiner Meinung nach, als Catledge jede Diskussion über mein Erlebnis entschieden abwürgte, obwohl ich doch hätte schwören können, dass gerade er unter normalen Umständen mindestens fünfzehn Minuten lang genau durchgekaut hätte, wer das Schmerzmittel von Darius Quattermain „aufgepeppt“ haben könnte. Stattdessen versuchte er, die Unterhaltung in ganz anderes Fahrwasser zu lenken, und erging sich über die lang andauernde Fehde zwischen zwei konkurrierenden Fraktionen im Beirat der Stadtbücherei. Als Ellen in der Küche verschwand, wo sie Tee holen wollte, und Catledge sich einen Moment entschuldigte, warf ich Martin einen bedeutungsvollen Blick zu.
    Wenn jemand sich seltsam benahm, dann konnte ich nicht einfach nur zusehen, sondern fragte mich unwillkürlich, was wohl dahinterstecken mochte. In diesem Fall fragte ich mich, ob Ellen wohl die von Jimmy nicht namentlich genannte Dame sein könnte, die ebenfalls vom Medikamentenvertauscher sabotiert worden war.
    Die Idee gefiel mir immer besser, je länger ich darüber nachdachte. So nervös wie Ellen ständig war, trug sie bestimmt ein Beruhigungsmittel in ihrer Handtasche. Heute Abend hatte sie auf jeden Fall etwas genommen, sie wirkte für ihre Verhältnisse unnatürlich gelassen. Fürchtete Catledge, jede weitere Diskussion über die Episode mit Darius Quattermain könnte Ellen zu Enthüllungen ähnlich bizarren Verhaltens veranlassen? Bestimmt sollte niemand wissen, dass Ellen ein „Nervenmittel“ einnahm.
    Das Schweigen am Esstisch war inzwischen so
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