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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes
Autoren: Patrick Rothfuss
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etwa, ich spiele hier ein Spielchen?«, fragte er ungläubig. »Meint Ihr wirklich, Eisen könnte Euch schützen?« Bast beugte sich vor, schlug die Hand des Chronisten beiseite und ergriff das dunkle Metallrad, bevor sich der Chronist überhaupt regen konnte. Sofort versteifte sich Basts Arm, und vor Schmerz kniff er die Augen zu. Als er sie wieder aufschlug, waren sie blau, so blau wie tiefes Wasser oder die Abenddämmerung.
    Bast beugte sich vor und näherte sein Gesicht dem des Chronisten. Der Schreiber geriet nun richtig in Panik und versuchte sich seitwärts aus dem Bett zu schieben, doch Bast packte seine Schulter und hielt ihn fest. »Hör mir zu, Menschenwurm«, zischte er. »Du solltest mich nicht mit meiner Maske verwechseln. Du siehst eine mit Sonnenlicht gesprenkelte Wasseroberfläche und vergisst die kalte, dunkle Tiefe, die darunter lauert.« Die Sehnen in Basts Hand knirschten leise, als er den Eisenring fester umschloss. »Hör mir zu. Du kannst mir nichts anhaben. Du kannst nicht weglaufen und dich nicht vor mir verstecken. Ich werde nicht zulassen, dass du dich mir widersetzt.«
    Und während er das sagte, hellten sich Basts Augen auf, bis sie so blau waren wie ein wolkenloser Mittagshimmel. »Ich schwöre dir beim Mark meiner Knochen: Wenn du dich meinem Willen widersetzt, wird der kurze Rest deines Lebens eine Symphonie der Qualen sein. Ich schwöre es bei dem Stein und der Eiche und der Ulme: Ich mache dich zu meinem Freiwild. Ich werde dir ungesehen folgen und jeden Freudenfunken, den du empfindest, ersticken. Du wirst nie wieder die Berührung einer Frau erleben, nie mehr einen ruhigen Atemzug, keinen Moment mehr des Seelenfriedens.«
    Basts Augen waren nun von dem blassbläulichen Weiß eines Blitzes, und seine Stimme klang scharf. »Und ich schwöre bei dem Nachthimmel und dem ewig wandernden Mond: Wenn du meinen Herrn und Meister in die Verzweiflung führst, werde ich dich aufschlitzen und in dir herummatschen wie ein kleines Kind in einem Schlammpfuhl. Ich werde eine Fiedel mit deinen Därmen beziehen, und dann darfst du darauf spielen, derweil ich dazu tanze.«
    Bast beugte sich weiter vor, bis nur noch Zentimeter ihre Gesichter trennten. Seine Augen waren nun so weiß wie Opale, so weiß wie der Vollmond. »Du bist ein gebildeter Mann. Du weißt, dass es keine Dämonen gibt.« Bast lächelte ein schreckliches Lächeln. »Es gibt nur die Meinigen.« Bast beugte sich noch weiter vor, und nun roch der Chronist Blumenduft in seinem Atem. »Und du bist nicht klug genug, um mich zu fürchten, wie man mich fürchten sollte. Du kennst nicht einmal den ersten Ton der Musik, die mich zum Tanzen bringt.«
    Bast löste sich von dem Chronisten und wich einige Schritte von dem Bett zurück. Am Rande des flackernden Lichtscheins der Kerzestehend, öffnete er die Hand, und das Eisenrad fiel mit einem dumpfen Scheppern auf den Dielenboden. Nach einem Moment atmete Bast tief durch und fuhr sich mit den Händen durchs Haar.
    Der Chronist blieb, wo er war, blass und schwitzend.
    Bast hob das eiserne Rad an seinem zerrissenen Band auf und knotete es mit flinken Fingern wieder zusammen. »Hört mal, es gibt keinen Grund, warum wir nicht Freunde sein könnten«, sagte er sachlich-nüchtern und hielt dem Chronisten das geflickte Halsband hin. Seine Augen waren jetzt wieder von einem menschlichen Blau, und sein Lächeln war herzlich und charmant. »Es gibt keinen Grund, warum wir nicht alle das bekommen könnten, was wir wollen. Ihr bekommt Eure Geschichte. Er bekommt eine Gelegenheit, sie zu erzählen. Ihr erfahrt die Wahrheit. Er erinnert sich daran, wer er in Wirklichkeit ist. So hat jeder etwas davon, und anschließend gehen wir alle bester Dinge unserer jeweiligen Wege.«
    Der Chronist ergriff das Halsband, und seine Hand zitterte ein wenig. »Und was bekommt Ihr?«, fragte er. Seine Stimme war nur noch ein trockenes Flüstern. »Was soll für Euch dabei herausspringen?«
    Auf diese Frage war Bast offenbar nicht gefasst. Er stand einen Moment lang still und beklommen da, seine ganze Anmut wie fortgewischt. Einen Moment lang sah es so aus, als würde er in Tränen ausbrechen. »Was ich will? Ich will nur meinen Reshi wiederhaben«, sagte er leise und klang dabei ganz verloren. »Ich will, dass er wieder so ist, wie er früher war.«
    Einen Moment lang herrschte betretenes Schweigen. Bast rieb sich mit beiden Händen das Gesicht und schluckte. »Ich bin schon viel zu lange fort«, sagte er plötzlich, ging
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